Whisky und Reformation

"Ein Produkt der Kirche"

Die Reformation hat nicht nur den Glauben reformiert - sondern mancherorts auch den Geschmack: In Schottland wurde durch sie der Whisky vom Arzneimittel zur Delikatesse. Ein domradio.de-Interview mit dem Theologen und Whiskykenner Wolfgang Rothe.

Reformatorisch gut: Whisky / © Peter Endig (dpa)
Reformatorisch gut: Whisky / © Peter Endig ( dpa )

domradio.de: Sie behaupten, die Reformation in Schottland habe uns den Whisky beschert. Wie kam das denn?

Wolfgang Rothe (Theologe, Priester und Whiskykenner): Der Whisky ist vom Ursprung her ein Produkt der Kirche. Der wurde hinter Klostermauern erfunden, denn zusammen mit dem christlichen Glauben war vom 6. Jahrhundert auch die Kunst der Destillation zunächst nach Irland und dann nach Schottland gelangt, weil man in den Krankenstationen der Klöster hochprozentigen Alkohol brauchte zum Herstellen medizinischer Tinkturen. Das hat man gemacht, indem man sehr aufwendig und teuer Wein importiert hat und irgendwann ist ein findiger Mönch darauf gekommen, dass das auch mit vergorener Getreidemaische funktioniert. Damit war der Whisky geboren. Im Zuge der Reformation ist der Whisky von einem klösterlichen Produkt zum Nationalgetränk geworden.

domradio.de: War die Reformation auf der Insel eine rein schottische Angelegenheit oder hatte die englische Krone ihre Finger mit im Spiel?

Rothe: Das war eine hochpolitische Angelegenheit: Die Reformation in Schottland war deutlich später als in Deutschland - erst 1559. Das hatte stark mit politischen Verflechtungen und den dauerhaften Konflikten zwischen Schottland und England zu tun. 1559 ist dann der schottische Reformator John Knox nach einigen Jahren im Exil nach Schottland zurückgekehrt, weil er dort die Untertsützung des schottischen Adels gegen die Krone gewonnen hat. Die schottische Reformation war also keine Volksbewegung, sondern ging vom Adel aus. Zusammen mit John Knox wurde dann ein regelrechter Klostersturm entfacht, dem innerhalb von wenigen Jahren alle der damals zahlreichen Klöster zum Opfer gefallen sind. Die Mönche, die vorher innerhalb der Klöster für die Destillation von Alkohol zuständig waren, mussten sich eine neue Lebensgrundlage schaffen und sie haben weiterhin das getan, was sie gut konnten: Whisky destillieren.

domradio.de: Stoßen Sie am Reformationstag auf John Knox an?

Rothe: John Knox ist jemand, der es durchaus verdient hat. Er hatte den netten Beinamen "Killjoy", weil er alles verdammt hat, was Freude bereitet: Musik, Tanz, Theater und natürlich auch jede Form von Genuss. Ausgerechnet er hat einer inzwischen weltweiten Genusskultur den Weg bereitet. Das finde ich schon einen Grund, darauf anzustoßen.

Das Interview führte Martin Mölder.


Quelle:
DR