300. Weihetag: Namen-Jesu-Kirche in Bonn ist bundesweit einzigartig

Juwel des "Jesuiten-Barocks"

Das Bonner Münster wurde gerade für eine zweijährige Generalsanierung geschlossen. Stattdessen empfiehlt sich für Besucher der Bundesstadt vielleicht ein Gang in ein anderes Gotteshaus mit durchaus bewegter Geschichte.

Autor/in:
Joachim Heinz
Namen-Jesu-Kirche / © Erika Rebmann (KNA)
Namen-Jesu-Kirche / © Erika Rebmann ( KNA )

Wo gibt es schon so etwas: Einen "Petersdom" der Altkatholiken, in dem einst ein gewisser Joseph Ratzinger predigte, der später als Papst Benedikt XVI. die römisch-katholische Konkurrenz leiten sollte? In Bonn ist all das zu bewundern. Auf halbem Weg vom historischen Marktplatz zum Beethoven-Geburtshaus liegt die Namen-Jesu-Kirche mitten in einer ebenso belebten wie beliebten Einkaufsgasse. Nicht jeder Passant nimmt sie im Gewusel wahr. Dabei verbirgt sich hinter der "bedeutendsten Barockfassade der Rheinlande" eine Fülle an Geschichte und Geschichten. Vor 300 Jahren, am 8. August 1717, wurde das im Stil des "Jesuiten-Barock" errichtete Gotteshaus geweiht.

Um die Sache mit dem "Petersdom" direkt aufzuklären: So würde sicher kein Altkatholik von der Kirche sprechen. Richtig ist vielmehr, dass das Gotteshaus seit 2012 offiziell als Bischofskirche des "Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland" fungiert und damit geistliches Zentrum für die 16.000 Kirchenmitglieder zwischen Flensburg und Passau ist. Die Altkatholiken spalteten sich aus Protest gegen wesentliche Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) - darunter die Festschreibung der päpstlichen Unfehlbarkeit - von der römisch-katholischen Kirche ab.

Vom Notbistum zum Selbstverständnis

Eine Bischofskirche einzurichten, hatten sie lange vermieden. "Wir haben uns jahrzehntelang als 'Notbistum' gesehen, dessen Existenz endet, sobald die Anerkennung der Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils nicht mehr von uns gefordert wird", so der altkatholische Bischof Matthias Ring. Inzwischen lautet das Credo: "Wir sind eine eigene Kirche mit einer eigenen Geschichte, einer eigenen Tradition." Seit 2012 zeugt die Namen-Jesu-Kirche von diesem Wandel im Selbstverständnis.

Dass die Wahl ausgerechnet auf eine ehemalige Jesuitenkirche fiel, stieß anfangs nicht überall auf Gegenliebe. Der Orden, dessen Mitglieder dem Papst Treue und Gehorsam schwören, und eine Kirche, die auf Distanz zum Vatikan ging: Konnte das gut gehen? Inzwischen haben sich die Wogen geglättet. "Ich erlebe dieses Gebäude als eine Brücke zu Menschen, die über einen langen Zeitraum nichts mehr mit Kirche zu tun hatten", sagt Bischof Ring. "Fast jeden Gottesdienst feiern Menschen mit, die im Vorbeigehen mal kurz in die Kirche reingeschaut haben und dann bleiben." Zwei Drittel seien nicht altkatholisch.

Brand während der Belagerung Bonns

Begonnen hat die Geschichte der Kirche 1686. Maximilian Heinrich von Bayern, Erzbischof und Kurfürst von Köln, legte den Grundstein und steuerte zu dem Bau 50.000 Reichstaler bei - vor allem aufgrund des "wunderbaren Namens", wie es hieß. Laut einer im Grundstein befindlichen Medaille geht die Bezeichnung zurück auf ein Stück Buchenholz, das 1681 im nahe gelegenen Rheinbach gefunden wurde und dessen Maserung den Namen Jesu gebildet haben soll. Ein kirchliches Namen-Jesu-Fest gibt es seit 1721, also kurz nachdem das Bonner Gotteshaus geweiht worden war.

Die Arbeiten zogen sich hin, weil der Rohbau bei der Belagerung Bonns durch die Franzosen während des Pfälzischen Erbfolgekrieges 1689 in Brand geriet. Die Franzosen in Gestalt napoleonischer Truppen waren dann auch gut 100 Jahre später schuld, dass die Kirche als Magazin und Pferdestall zweckentfremdet wurde. Nach deren Abzug kümmerten sich die Bürger der Stadt um die Renovierung. Von 1805 bis 1895 logierte in einem der Türme die städtische Feuerwache; sie bediente im Notfall die älteste Brandglocke Bonns.

Gebeine von 66 Jesuiten aus dem 18. Jahrhundert

Von 1877 bis 1934 nutzten die Altkatholiken das Gotteshaus schon einmal: als einfache Pfarrkirche. Danach diente die Namen-Jesu-Kirche als Kapelle der katholischen Hochschulgemeinde. Joseph Ratzinger, 1959 bis 1963 Professor in Bonn, schaute regelmäßig vorbei. Von geistigen Höhen noch ein Abstecher in die Tiefe des Raums: In einem Gewölbe unter der Kirche ruhen die Gebeine von 66 Jesuiten aus dem 18. Jahrhundert - die Altkatholiken haben daraus ein Kolumbarium, einen "Friedhof der anderen Art" für Jedermann gemacht. Katholiken, Altkatholiken und andere Konfessionen, gläubige Christen und nicht-gläubige Atheisten - im Tod sind sie vereint.


Altkatholischer Gottesdienst in Bonn / © Cornelis Gollhardt (KNA)
Altkatholischer Gottesdienst in Bonn / © Cornelis Gollhardt ( KNA )
Quelle:
KNA