Bischof Ring über Altkatholiken und ihr Verhältnis zum Papst

Kirche mit eigener Geschichte

Mit einer Geschichte von weniger als 150 Jahren sind die Altkatholiken eine vergleichsweise junge Erscheinung. Als bloße "Neuerer" wollen sie trotzdem nicht gelten, wie ihr Bischof Matthias Ring im Interview verdeutlicht.

Erwachsenentaufe (KNA)
Erwachsenentaufe / ( KNA )

KNA: Von Ihrem Selbstverständnis her sehen Sie sich als Bewahrer der "alten" katholischen Traditionen vor dem Ersten Vatikanischen Konzil (1869/70). In der Praxis haben Sie, etwa mit der Priesterweihe von Frauen, einiges von dem verwirklicht, was heute manche "Reformer" in der römisch-katholischen Kirche fordern. Was unterscheidet denn die Altkatholiken von der römisch-katholischen Kirche?

Bischof Matthias Ring (Bischof des "Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland"): Da ist zunächst einmal der Blick auf das Erste Vatikanische Konzil von 1869/70...

KNA: ...bei dem die oberste Leitungsgewalt des Papstes und seine Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens und der Sitte dogmatisch festgeschrieben wurde.

Ring: Die altkatholischen Kirchen lehnten diese neuen Dogmen als Bruch mit der "alten" Lehre ab - was auch die Selbstbezeichnung erklärt. Das Gleiche gilt übrigens für die beiden jüngsten lehramtlichen Aussagen der römisch-katholischen Kirche über die Gottesmutter Maria: ihre unbefleckte Empfängnis und ihre Aufnahme mit Leib und Seele, als ganzer Mensch also, in den Himmel.

KNA: Abgesehen von den theologischen Differenzen - was würden Sie als Eigenheit der Altkatholiken hervorheben?

Ring: Dass wir eine von Rom unabhängige katholische Kirche sind, die synodal verfasst ist. Das Kirchenparlament trifft die wesentlichen Entscheidungen, wählt auch den Bischof.

KNA: Wie bei den evangelischen Kirchen.

Ring: Wobei unsere synodale Struktur älter ist als die vieler evangelischer Landeskirchen. Die haben das Prinzip oft erst nach dem Ersten Weltkrieg eingeführt. Bei uns tagte die erste Synode 1874. Und das hatte einen ganz anderen Hintergrund: Wir verstehen uns als eine Reformkirche, wobei man mit dem Ausdruck auch etwas vorsichtig sein muss. Das kann man auch wie ein Plakat vor sich hertragen.

KNA: Wieso dann dennoch Reformkirche?

Ring: Weil die Altkatholiken sich nicht in der Abwehr zur modernen Gesellschaft konstituiert haben. Stattdessen nahmen sie einzelne Elemente, wie eben die Idee der demokratischen Wahlen, mit in ihre Strukturen auf.

KNA: Schlägt sich dieser reformorientierte Gedanke auch in der Feier des Gottesdienstes nieder?

Ring: Wer als römisch-katholischer Christ bei mir in die Messe kommt, wird zunächst einmal nicht bemerken, dass er in einem altkatholischen Gottesdienst ist. Das war noch vor dem Zweiten Vatikanum anders, weil die Altkatholiken schon 1884 die Messe in deutscher Sprache eingeführt haben. Einen sichtbaren Unterschied gibt es allerdings schon: Seit Mitte der 1990er-Jahre können bei uns auch Frauen Priester werden.

KNA: Mit den protestantischen Kirchen unterhalten die Altkatholiken recht enge Beziehungen. Hat aber die Frauenordination nicht eine neue Hürde im Gespräch mit der römisch-katholischen Kirche aufgestellt?

Ring: Das Verhältnis zwischen alt-katholisch und römisch-katholisch war jahrzehntelang ein Nichtverhältnis. Es gab keinerlei ökumenische Kontakte. Das hat sich aber nach dem Zweiten Weltkrieg stark geändert. Zum Zweiten Vatikanischen Konzil waren Altkatholiken als Beobachter eingeladen. In der Endphase der Amtszeit von Johannes Paul II. gab es noch einmal einen Schub in Richtung eines internationalen Dialogs. Vor drei Jahren waren die altkatholischen Bischöfe zum ersten Mal in privater Audienz beim Papst. Unterm Strich hat sich das Verhältnis heute sehr entspannt.

KNA: Trotz der Priesterweihe für Frauen.

Ring: Die war ein Thema der soeben in Paderborn abgeschlossenen Dialogrunde zwischen Kommissionen beider Kirchen. Ebenso wie beispielsweise der in der altkatholischen Kirche mögliche Empfang der Sakramente für wiederverheirateten Geschiedene.

KNA: Was haben die Gespräche gebracht?

Ring: Das Interessante an dem Dialog ist, dass wir zum ersten Mal von unserer Seite formuliert haben, wie wir uns eine Kirchengemeinschaft mit Rom vorstellen können.

KNA: Nämlich?

Ring: Wir haben uns jahrzehntelang als "Notbistum" gesehen, dessen Existenz endet, sobald die Anerkennung der Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils nicht mehr von uns gefordert wird. Das stand sogar in unserem Kirchenrecht bis vor 15 Jahren.

KNA: Stattdessen gibt es seit 2012 eine eigene Bischofskirche in Bonn, am Sitz des "Katholischen Bistums der Alt-Katholiken in Deutschland".

Ring: Wir sind eine eigene Kirche mit einer eigenen Geschichte, einer eigenen Tradition. Es geht inzwischen nicht mehr darum, dass wir uns auflösen und eingliedern in die große römisch-katholische Kirche.

KNA: Sondern?

Ring: Um die Frage, wie wir die Gemeinschaft miteinander pflegen können - mit Blick auf den Papst und sein Amt, der als Moderator Garant der kirchlichen Einheit sein könnte, so unser Denkmodell.

KNA: Rund 16.000 Altkatholiken gibt es in Deutschland - Tendenz steigend, wie es auf Ihrer Homepage heißt. Wer interessiert sich für die altkatholische Kirche?

Ring: Es gibt im Wesentlichen zwei Gruppen, die beitreten. Das sind zum einen Menschen in der Mitte des Lebens, die alles erreicht haben, familiär, beruflich und sich dann noch einmal die Frage nach Gott stellen und sich dann auf die Suche machen. Und zum anderen junge Eltern, die sich die Frage stellen, was sie ihren Kindern mitgeben an religiöser Erziehung.

KNA: Was ist mit Papstkritikern?

Ring: Menschen, die sich an der Unfehlbarkeit des Papstes stoßen? Das kommt eher selten vor. Die klassischen Unterschiede, die Lehren von 1870, spielen für Übertritte in der Regel keine Rolle mehr.

Das Interview führte Joachim Heinz.


Matthias Ring / © Harald Oppitz (KNA)
Matthias Ring / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA