Berliner Senat: "Große Verunsicherung" wegen Neutralitätsgesetz

Welche religiösen Symbole darf eine Lehrkraft tragen?

Der Berliner Senat will die Umsetzung des Neutralitätsgesetzes an den Schulen präzisieren. Es gebe dort eine "große Verunsicherung" darüber, inwieweit Lehrkräfte religiöse Symbole tragen dürften, sagte Bildungsstaatssekretär Mark Rackles.

Der Fisch war vor allem im frühen Christentum ein verbreitetes Symbol für Jesus Christus. / © N.N. (KNA)
Der Fisch war vor allem im frühen Christentum ein verbreitetes Symbol für Jesus Christus. / © N.N. ( KNA )

Im Abgeordnetenhaus bekräftigte er die Absicht des Senats, eine "Handreichung" dazu zu veröffentlichen. Nach dem Berliner Neutralitätsgesetz dürfen bestimmte staatliche Bedienstete keine Kleidungs- und Schmuckstücke tragen, die demonstrativ für eine religiöse oder politische Position stehen.

Anlass der jüngsten Debatte darüber ist der Fall einer evangelischen Lehrerin an einer staatlichen Schule. Per Dienstanweisung wurde ihr untersagt, ein Kreuz an einer Halskette zu tragen. Nun geht es darum, inwieweit sie auch ein Fischsymbol an einer Halskette nicht tragen darf. Der Fisch war vor allem im frühen Christentum ein verbreitetes Symbol für Jesus Christus. Rackles betonte, in dem Fall sei "der Fisch als solcher kein Problem". Es gehe um das "Gesamtverhalten" der Lehrerin. Es habe zu einer "Eskalation" in der Schule geführt.

Wie wird ein Solches Symbol getragen?

Rackles äußerte sich "froh über den Einzelfall". Er zeige, dass es bei dem Thema nicht nur um den Islam gehe. Bei solchen Symbolen sei "immer die Frage, wie es getragen wird und zu welchem Zweck", erläuterte der Staatssekretär. Deshalb solle die Handreichung "keine Liste mit Symbolen" aufführen. Ziel sei, den Sinn des Neutralitätsgesetzes nach Schulformen abgestuft zu präzisieren.

Der Staatssekretär betonte, die Grundschulen müssten von einer "Überwältigung durch religiöse oder politische Parteinahme" seitens der Lehrkräfte freigehalten werden. Anders sei das Neutralitätsgesetz etwa an Berufsschulen anzuwenden, wo die Schüler bereits "gereifte Persönlichkeiten" seien.

Juristische Klärung

Rackles äußerte sich auch zu der Frage, warum das Land Berlin gegen das Kopftuch-Urteil des Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom Februar keine Revision einlegte. Das Gericht sprach einer abgelehnten muslimischen Lehramtsbewerberin wegen Ungleichbehandlung eine Entschädigung zu. Der Staatssekretär erklärte, bei dem Einstellungsverfahren habe die Schulbehörde einen "Fehler in der Beratung" gemacht. Deshalb sei der Fall ungeeignet für eine grundsätzliche Überprüfung des Neutralitätsgesetzes.

Eine weitere juristische Klärung sei jedoch sinnvoll, betonte Rackles. Er wandte sich gegen eine Tendenz der Richter, die Klärung von Streitfällen mit Blick auf das Neutralitätsgesetz "in die Schulen zu verlegen". Die Konflikte seien "teilweise massiv", so Rackles. Nach seinen Angaben wurden in den vergangenen Jahren "vielleicht vier Fälle" bekannt, in denen der Schulfriede gestört worden sei.

Bischof Dröge: Berliner Neutralitätsgesetz verfassungswidrig

Der evangelische Bischof Markus Dröge hält das Berliner Neutralitätsgesetz für verfassungswidrig. Im Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" (Freitag) kritisierte er die Regelung, "grundsätzlich alle religiösen Zeichen in den Klassenräumen zu verbieten". Wörtlich betonte der Berliner Bischof: "Für mich ist das nicht im Geiste des Grundgesetzes." Zudem widerspreche es der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. "Der Staat hat der Religion gegenüber eine fördernde Neutralität zu wahren - und nicht eine verdrängende", mahnte Dröge.

Der Bischof äußerte sich anlässlich des Falls einer evangelischen Lehrerin, die nach einem Kreuz auch ein Fischsymbol nicht an einer staatlichen Schule tragen darf. Hier nehme die Forderung nach staatlicher Neutralität "absurde Züge" an, sagte Dröge. "In diesem Fall hat das sogar einen speziellen Geschmack." Der Fisch sei in der Verfolgungszeit der Christen deren Erkennungszeichen gewesen, "weil sie das Kreuz nicht zeigen durften". Dröge wies das Argument zurück, das Tragen eines solchen Symbols schade dem Schulfrieden. Es sei vielmehr Aufgabe einer pädagogischen Einrichtung, "daran zu arbeiten, dass Toleranz für das Tragen solcher Symbole geschaffen wird". 

Toleranz von religiösen Symbolen

Der Bischof nannte es "auch eine Leitkultur", Kinder und Jugendliche Toleranz zu lehren. Eine solche Leitkultur dürfe aber nicht bedeuten, "christliche Symbole in irgendeiner Form zu bevorzugen". Dröge räumte ein, dass nicht jegliche Form religiös motivierter Kleidung akzeptabel sei. "Die Vollverschleierung geht natürlich nicht, weil sie den Unterricht unmöglich macht." Eine Lehrerin müsse "in ihren Gesichtszügen erkennbar sein". Das Verbot einer Burka könne aber "nur funktional begründet werden".

Dröge rief die evangelischen Lehrerinnen und Lehrer auf, ihn zu informieren, wenn sie mit dem Neutralitätsgesetz in Konflikt kommen, "um die Probleme in unsere Gespräche mit dem Senat einzubringen". Er baue weiterhin auf die Einsicht der Politik, das Gesetz so zu verändern, "dass es christlichen Lehrern erlaubt ist, ihr Kreuz zu tragen und auch muslimische Lehrerinnen mit einem Kopftuch in die Schule kommen dürfen".

 


Quelle:
KNA