Pfarrer Jens-Martin Kruse zum Jubiläum der evangelischen Gemeinde in Rom

Lebendige und verlässliche Ökumene

Am Wochenende hat die evangelische Gemeinde in Rom 200-jähriges Jubiläum gefeiert. Der dortige Pfarrer Jens-Martin Kruse spricht im domradio.de-Interview über schwierigen Anfänge und fruchtbare ökumenische Zusammenarbeit.

Festakt zum 200-jährigen Bestehen der evangelischen Gemeinde in Rom / © Christian Gennari (KNA)
Festakt zum 200-jährigen Bestehen der evangelischen Gemeinde in Rom / © Christian Gennari ( KNA )

domradio.de: Wie lebt es sich denn im Jahr 2017 als evangelische Gemeinde in Rom? Passt da das Bild von Asterix und Obelix mit ihrem einzigen gallischen Dorf im Römischen Reich?

Jens-Martin Kruse (Pfarrer der evangelisch-lutherischen Christusgemeinde in Rom): Ich glaube, heute wäre das Bild so, dass die evangelischen und katholischen Christen hier in Rom gemeinsam so innovativ sind wie Asterix und Obelix zusammen. Wir verstehen uns schon lange nicht mehr als gallisches Dorf, das irgendwie Unruhe stiftet. Stattdessen funktioniert die Ökumene in Rom so gut und ist so lebendig und verlässlich, dass wir als Christen versuchen, das gemeinsam zu leben, was heute möglich ist.

domradio.de: Wenn wir mal zurückblicken: Vor 200 Jahren, als der erste evangelische Gottesdienst in Rom stattgefunden hat, war die Situation wahrscheinlich ein bisschen anders?

Kruse: Damals war es durchaus schwierig. Alles musste eher im Verborgenen stattfinden. Der erste Gottesdienst wurde in einer Privatwohnung abgehalten und es durften auch keine Geistlichen dabei sein. Bestattungen fanden über lange Jahre im Dunkeln statt, ganz am Rande der Stadt. Es war wirklich schwierig. Das Beeindruckende ist - wenn man die Texte von damals liest - dass die evangelischen Christen zum einen gesagt haben: Wir wollen - auch wenn es schwierig ist - unseren Glauben klar und eindeutig in Rom leben. Und sie hatten außerdem die große Hoffnung, dass sich die Verhältnisse ändern und dass es deshalb gut ist, deutlich zu machen, dass zu Rom auch evangelisch-lutherische Christen gehören.

domradio.de: Ein gutes Zeichen für die Ökumene ist ja auch, dass Sie die einzige evangelische Gemeinde sind, die schon Besuch von drei Päpsten hatte: Johannes Paul II. war bei Ihnen, Benedikt XVI. und im Jahr 2015 erst Papst Franziskus. Kann man Sie als so etwas bezeichnen wie die Speerspitze der Ökumene?

Kruse: Es gibt hier in Rom sehr gute Ausgangsbedingungen für Ökumene, denn alle christlichen Kirchen, die es auf der Welt gibt, sind mit eigenen Gemeinden hier vertreten. Wir als evangelisch-lutherische Gemeinde versuchen seit vielen, vielen Jahren, uns in das ökumenische Gespräch in Rom einzubringen. So sind sehr gute, verlässliche Beziehungen entstanden. Ergebnis dieser Ökumene im Alltag hier in Rom ist tatsächlich auch, dass wir immer mal wieder auch gemeinsam mit den Päpsten Gottesdienst feiern.

Der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper hat in seiner Rede beim Festakt gesagt, unsere Gemeinde sei so etwas wie ein "ökumenisches Biotop". Das gefällt uns ganz gut. Wir versuchen, hier unseren Glauben zu leben, ihn ins Gespräch mit den römisch-katholischen Geschwistern einzubringen und gemeinsam Schritte nach vorne zu gehen. 

domradio.de: Kardinal Kasper hat auch gesagt, dass wir eventuell in der Ökumene in diesem Jahr noch einen großen Fortschritt erleben werden. Wie deuten Sie das, was meint er damit? 

Kruse: Der Kontext war der Festakt, den die beiden deutschen Botschafterinnen, Frau Schavan und Frau Wasum-Rainer, veranstaltet haben. Kardinal Kasper war eingeladen, Glückwünsche an unsere Gemeinde zu überbringen und er hat wirklich ein schönes Geburtstagsgeschenk gemacht: Er hat seiner Zuversicht Ausdruck verliehen, dass es mit Blick auf konvessionsverbindende Ehepaare durchaus möglich sein könnte, Formen zu finden, wie man gemeinsam Abendmahl-Eucharistie feiern kann. Damit wird im Grunde genommen aufgenommen und umgesetzt, was Papst Franziskus beim Besuch des Rates der EKD gemeinsam mit Kardinal Marx im Februar den deutschen Bischöfen mit auf den Weg gegeben hat.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch. 


Quelle:
DR