Pakistanischer Flüchtling singt im Luther-Oratorium

"Ich will selber denken"

Er ist sicher einer der ungewöhnlichsten Teilnehmer des Luther-Oratoriums: Der pakistanische Flüchtling Hasan Nabeel probt zurzeit für die Aufführung des Pop-Oratoriums in Düsseldorf. Wer Luther ist, wusste er vorher nicht.

Autor/in:
Jasmin Maxwell und Irene Dänzer-Vanotti
Hasan Nabeel bei den Proben / © Stefan Arend (epd)
Hasan Nabeel bei den Proben / © Stefan Arend ( epd )

Der Tenor, klagt der Dirigent Christoph Spengler bei der Probe für das Pop-Oratorium "Luther", sei am schwächsten besetzt. Einer der Sänger in der höheren Stimmlage der Männer ist Hasan Nabeel. Der Flüchtling aus Pakistan ist in wenigen Monaten ein begeisterter Sänger geworden. Der Eingangschor des Oratoriums mit den Worten "L-U-T-H-E-R, Luther, wer ist Luther", gefalle ihm musikalisch am besten, sagt Hasan Nabeel am Rande der Probe am Sonntag in der Essener Grugahalle.

Inhaltlich sei ihm aber Luthers gesungenes Bekenntnis "Ich will selber denken" am wichtigsten, erklärt er. Nabeel verließ seine Heimat Pakistan, nachdem er zum Christentum konvertiert war. Vor wenigen Monaten ließ er sich in Deutschland taufen. Wenn er als Flüchtling anerkannt wird, möchte er für eine gemeinnützige Organisation arbeiten.

"Singen gibt mir Selbstbewusstsein"

Früher, in Pakistan, habe er noch nicht mal unter der Dusche gesungen, erzählt er. Dass er jetzt regelmäßig mit einem Chor probt, hätte er sich damals nicht träumen lassen. "Singen macht mich glücklich und gibt mir Selbstbewusstsein", sagt er.

Gemeinsam mit fast 3.000 anderen Teilnehmern - Einzelsängern und Chormitgliedern - will Nabeel am 4. Februar im ISS-Dome über das Leben von Martin Luther und die von ihm angestoßene Reformation singen. Das Pop-Oratorium von Michael Kunze und Dieter Falk wird bis zum 500. Jahrestag der Reformation 2017 in ganz Deutschland aufgeführt. In jeder Stadt wirken jeweils Sänger und Chöre aus der Region mit.

Lernen über Luther

Martin Luther kannte Hasan Nabeel in seinem alten Leben in Pakistan nicht. Er sei aber dabei, mehr über ihn zu lernen, sagt der 31-Jährige, der im August 2015 nach Deutschland kam und zurzeit in einer Flüchtlingsunterkunft in Haan lebt. Im Luther-Chor lerne er nicht nur seine neue Religion und die deutsche Sprache besser kennen, sagt Nabeel - auch Freunde habe er gefunden.

Eine gute Freundin und fast schon Ersatzmutter ist Birgit Annighöfer-Lütke für ihn geworden. Nabeel begegnete ihr als Teilnehmer eines Sprachkurses, den Annighöfer-Lütke ehrenamtlich gab. "Er kam nach der Stunde zu mir, hielt mir eine Bibel unter die Nase und fragte, ob ich dieses Buch kenne", erinnert sich die zierliche 53-Jährige mit dem ansteckenden Lachen. Sie war es dann auch, die Hasan Nabeel mit in die Evangelische Kirchengemeinde in Haan, den Gospelchor "Taktvolk" und den eigens für das Luther-Oratorium eingerichteten Projektchor "Voices of ME" mitnahm.

Fasziniert von der Botschaft Jesu

Den christlichen Glauben hatte Nabeel bereits in Pakistan kennengelernt. Mit einem Freund habe er dort eine Kirche besucht, erzählt er und gibt grinsend zu: "Eigentlich wollten wir vor allem christliche Frauen sehen, weil die in Pakistan sehr zurückgezogen leben." Mehr als die Frauen faszinierte ihn aber bald die Botschaft von Jesus Christus.

Seine muslimische Familie habe das nicht geduldet und ihm Gottesdienstbesuche verboten, berichtet Nabeel. Er entschloss sich zur Flucht. Christen in Pakistan sind immer wieder Ziel von Anschlägen militanter Islamisten. Für internationale Empörung sorgte der Fall der Christin Asia Bibi, die wegen Gotteslästerung nach dem umstrittenen Blasphemiegesetz zum Tode verurteilt wurde.

"Jetzt sehe ich, was ich gewonnen habe"

Im August des vergangenen Jahres wurde Hasan Nabeel in Haan getauft. Wenn sich der kräftige Mann, der in Pakistan als Metallschmied gearbeitet hat, an diesen Tag erinnert, breitet sich ein Strahlen auf seinem Gesicht aus. "Vor der Taufe dachte ich, dass ich durch die Flucht viel verloren habe. Jetzt sehe ich, was ich gewonnen habe." Auch wenn die Reaktionen nicht nur positiv waren: In der Flüchtlingsunterkunft reagierten viele andere Bewohner mit Unverständnis und Kritik, als er im Ramadan nicht mehr mitfastete.

Er freue sich auf die Aufführung des Luther-Oratoriums im Februar, sagt Nabeel. Überschattet wird die Vorfreude aber von der Unsicherheit, ob er in Deutschland bleiben kann. Seine letzte und entscheidende Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge steht noch aus.

"Wir sind als Christen eins auf der Welt" sagt der Komponist Dieter Falk, "deshalb begrüßen wir es besonders, wenn ein Flüchtling wie Hasan beim Oratorium mit singt." Die Musik habe die Reformation geprägt und populär gemacht. "Deshalb soll auch beim Reformationsjubiläum verschiedene Musik erklingen, bei der möglichst viele Menschen mitmachen," erklärt Falk.


Der pakistanische Flüchtlinge Hasan Nabeel singt im Luther-Oratorium / ©  Stefan Arend (epd)
Der pakistanische Flüchtlinge Hasan Nabeel singt im Luther-Oratorium / © Stefan Arend ( epd )
Quelle:
epd