Vor 125 Jahren wurde Martin Niemöller geboren

"Was würde Jesus dazu sagen?"

Er war U-Boot-Kommandant im Ersten Weltkrieg, später "persönlicher Gefangener" Hitlers und ein prägender Protestant im Nachkriegsdeutschland. Am Samstag würde der Pazifist und Ökumeniker 125 Jahre alt.

Autor/in:
Norbert Zonker
Martin Niemöller / © Hans Lachmann (epd)
Martin Niemöller / © Hans Lachmann ( epd )

Das wohl bekannteste ihm zugeschriebene Zitat hat er ursprünglich nicht in dieser markanten Form gesagt. Doch steht es treffend für das Bekenntnis Martin Niemöllers zu seinem eigenen Versagen und dem seiner Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus - und für die Konsequenzen, die er daraus gezogen hat: "Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."

Inbegriff eines kämpferischen Protestanten

Wer Martin Niemöller, der vor 125 Jahren - am 14. Januar 1892 - geboren wurde, als Ikone der Friedensbewegung Anfang der 1980er Jahre kennenlernte, konnte über solche Sätze nur staunen, galt Niemöller doch als Inbegriff eines kämpferischen, politisch linken Protestanten. Er scheute den Kontakt mit Repräsentanten des kommunistischen Machtbereichs nicht und geißelte mit scharfen Worten die Aufrüstung im Westen. Dass er im Ersten Weltkrieg als U-Boot-Kommandant gedient und 1920 als Freikorpsoffizier einen kommunistisch gelenkten Arbeiteraufstand im Ruhrgebiet bekämpft hatte, mutete im Rückblick als bizarre Episode in einem geradlinigen Leben an.

Doch war diese Entwicklung Niemöller, als zweites von sechs Kindern einer lutherischen Pfarrersfamilie im westfälischen Lippstadt geboren, keineswegs in die Wiege gelegt. Vielmehr wuchs er in einem politisch und theologisch konservativen Umfeld auf mitsamt dem obligatorischen Patriotismus. Mit der Weimarer Republik konnte er sich schwerlich anfreunden, 1933 wählte er noch Hitler, den er als "Gabe Gottes" erwartet hatte.

Die Ernüchterung folgte schnell. Innerhalb der evangelischen Kirchen formierte sich ein bibeltreuer Widerstand gegen den Durchmarsch der regimenahen "Deutschen Christen" in den Leitungsgremien. Als diese im September 1933 mit dem "Arierparagrafen" die Rassenideologie auch in der Kirche einzuführen begannen, gehörte Niemöller, seit 1931 Pfarrer in Berlin-Dahlem, zusammen mit Dietrich Bonhoeffer und anderen zu den Gründern des "Pfarrernotbunds". Ihm schlossen sich bis Anfang 1934 mehr als 6.000 Geistliche an, ein Drittel der damaligen evangelischen Pfarrerschaft Deutschlands.

Niemöller überlebte Konzentrationslager

Allerdings richtete sich - wie es im eingangs zitierten Bekenntnis zum Ausdruck kommt - der Blick des "Notbunds" wie der 1934 gegründeten "Bekennenden Kirche" vor allem auf die Freiheit der Kirche im totalitären Staat. Zur Verfolgung und später Vernichtung der Juden hielten sie sich bedeckt. Niemöller selbst war da schon im Konzentrationslager. Nach zahlreichen Gestapo-Verhören und Gerichtsverfahren wurde er am 1. Juli 1937 verhaftet. Hitler ließ ihn als seinen "persönlichen Gefangenen" in Sachsenhausen einkerkern,

1941 wurde er nach Dachau überführt. Im Unterschied zu Bonhoeffer, der noch in den letzten Tagen vor Kriegsende umgebracht wurde, überlebte er bis zur Befreiung. Von da an setzte er sich für den Aufbau eines neuen Deutschlands und die Erneuerung seiner Kirche an. Das "Stuttgarter Schuldbekenntnis" des neugegründeten Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) vom 19. Oktober 1945 ("... wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben ...") ging wesentlich auf Niemöllers Initiative zurück. So wichtig die Erklärung für das Ansehen der Kirche und Deutschlands nach außen war, so umstritten war sie im Inneren - bis zur Einsicht in die eigene Schuld dauerte es bei Vielen noch lange.

Niemöller selbst wechselte von Berlin nach Hessen und wurde 1947 zum ersten Kirchenpräsidenten der neugegründeten Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gewählt. Bis 1964 übte er sein Amt in streitbarer Weise aus, setzte sich gegen die Wiederbewaffnung und Atomrüstung ein. Wichtig war ihm auch seit seinen Erfahrungen im KZ die Ökumene - so wurde er 1961 zu einem der sechs Präsidenten des Weltkirchenrats in Genf gewählt. Bis zu seinem Tod am 6. März 1984 blieb er ein kämpferischer Geist, gemäß seinem Lebensmotto: "Was würde Jesus dazu sagen?"


Quelle:
KNA