Wittenberg vor dem Reformationsgedenken

Ein Pilgerort für Protestanten

Vor fast genau 500 Jahren ging von hier eine Weltrevolution aus. Mit dem Anschlag der 95 Thesen an die Wittenberger Schlosskirche hat Martin Luther unter anderem die Spaltung der abendländischen Kirche ins Rollen gebracht. 500 Jahre später wird das Gedenken ökumenisch begangen.

Die Reformationsstadt Wittenberg / © Renardo Schlegelmilch
Die Reformationsstadt Wittenberg / © Renardo Schlegelmilch

Noch nicht einmal 50.000 Einwohner hat die "Kleinstadt" in Sachsen-Anhalt, trotzdem erwartet sie im kommenden Jahr hunderttausende Gäste. Wittenberg feiert Reformationsjubiläum, aber schon die Begrifflichkeit ist das erste Problem. Jubiläum oder Gedenken? Das wird zwischen Katholiken und Protestanten diskutiert. Die Lösung: Das Jahr 2017 wird offiziell ein "Christusfest".

So laden im kommenden Jahr die evangelischen und katholischen Christen gemeinsam nach Wittenberg. Eine große Aufgabe für die kleine Stadt: "Manchmal sind wir damit ein bisschen überfordert", gesteht Christian Beuchel, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Wittenberg. "Unsere Stadt hat quasi drei Gesichter: Sie hat Bedeutung für die Weltkirche, ist eine Kleinstadt mit begrenzten Ressourcen, und zudem eine Stadt mit vier Jahrzehnten Atheismus." In Wittenberg sind heute zwölf Prozent der Einwohner evangelisch und drei Prozent katholisch.

Eine halbe Million Besucher erwartet

Mit dem nahenden Gedenkjahr 2017 steigt auch das Interesse an Wittenberg. Schon jetzt stapeln sich die Touristengruppen in der Fußgängerzone, die Schlosskirche und Lutherhaus verbindet. Und das wird auch noch mehr werden. Christof Vetter, Marketingleiter für das Reformationsjubiläum 2017: "Den größten evangelischen Gottesdienst überhaupt gab es 1954 in Leipzig mit 650.000 Teilnehmen. Da kommen wir nicht dran, aber es wird knapp."

Besonders eng wird es zum Deutschen Evangelischen Kirchentag Ende Mai 2017. Der wird in mehreren mitteldeutschen Städten, sowie in Berlin parallel gefeiert. Zum abschließenden Festgottesdienst werden hunderttausende Teilnehmer aus allen Richtungen mit Sonderzügen nach Wittenberg gebracht. Übernachtet und gefeiert wird dann auf den Elbwiesen vor der Stadt. Fast schon wie beim katholischen Weltjugendtag.

Das "Christusfest" auch katholisch

Eine große Rolle im Jahr 2017 spielt die Ökumene. So wird zum Beispiel Magdeburgs katholischer Bischof Gerhard Feige mit einer ökumenischen Pilgergruppe nach Rom reisen und dort vom Papst empfangen. "Gemeinsam mit Luther zum Papst" heißt die Aktion. "Da werden wir mit 1000 Katholiken und Protestanten von Papst Franziskus empfangen. Das ist ein wenig ungewöhnlich, aber der ökumenische Aspekt ist uns sehr wichtig." Zum Bistum Magdeburg gehört auch die Stadt Wittenberg, somit ist Gerhard Feige auch katholischer Bischof von Wittenberg. Eine Verantwortung, die dem Ökumene-Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz durchaus bewusst ist. "Luther ist für uns als Katholiken eine Herausforderung, weil er uns zwingt uns auch selbst immer wieder neu zu hinterfragen." Ökumenisch sollen Katholiken und Protestanten im weitestgehend säkularen Osten ein Vorbild darstellen. "Wir müssen ein Leuchtturm sein, ein Leuchtturm der Menschlichkeit."

Das Miteinander der Konfessionen ist in Wittenberg harmonisch. Hanna Kasparick, Leiterin des Predigerseminars und die erste weibliche Pastorin an Luthers Schlosskirche: "Wir als Christen stechen aus der Masse heraus. Uns fragt dabei allerdings niemand 'warum bist du evangelisch oder katholisch', uns fragt man 'warum bist du Christ?"


Quelle:
DR