Ökumenebeauftragter Lülsdorff zum panorthodoxen Konzil

"Ausdruck der Einheit nicht glaubwürdig"

Auf Kreta soll am Wochenende die erste Synode der orthodoxen Kirchen der Neuzeit beginnen. Doch die Zusammenkunft steht auf der Kippe. Ein Interview mit dem Ökumenebeauftragten des Erzbistums Köln, Dr. Raimund Lülsdorff.

Diakon Dr. Raimund Lülsdorff / © Bernhard Raspels
Diakon Dr. Raimund Lülsdorff / © Bernhard Raspels

domradio.de: 14 orthodoxe Nationalkirchen gibt es. Fünf haben mittlerweile abgesagt. Was sind denn aus Ihrer Sicht die Hauptgründe für den Streit im Vorfeld des Konzils? 

Dr. Raimund Lülsdorff (Ökumenebeauftragter des Erzbistums Köln): Anders, als man vielleicht denken sollte, ist es am wenigsten die Theologie. Schwierig sind die kirchenpolitischen aber auch die staatspolitischen Aspekte, die sich daraus ergeben, dass es eine gewisse Nähe der Kirchen zum Staat gibt. Sie sind keine Handlanger der Staaten, das ist nicht abfällig gemeint. Aber es gibt bis hinunter zu Konstantin dem Großen durchaus eine Nähe zum Staat. Kirchenpolitisch ist die Frage nach Zuständigkeiten relevant: Welche Kirche ist für welche Region zuständig? Da ist im Bereich der Golfstaaten die Diskussion groß und laut. Aber natürlich schwappen dann auch staatliche Auseinandersetzungen hinein. Allein die Tatsache, dass das Konzil auf Kreta stattfindet - geplant war es für Istanbul - spielt eine Rolle. 

domradio.de: Zuletzt hat ja die russisch-orthodoxe Kirche abgesagt. Es gibt ungefähr 300 Millionen orthodoxe Christen weltweit, etwa 150-160 Millionen russisch-orthodoxe Christen. Wieviel ist denn dann so ein Konzil überhaupt noch wert, wenn mehr als die Hälfte der orthodoxen Christen quasi absagt?

Lülsdorff: Das ist genau der Punkt. Die Teilnahme der russisch-orthodoxen Kirche ist aufgrund der Vielzahl ihrer Mitglieder ein Totschlag-Kriterium. Selbst, wenn einzelne, kleine Kirchen fehlen, ist das schon von klarem Nachteil. Und die Frage ist: Wer nimmt die Beschlüsse eines solchen Konzils an? Man muss sagen, dass auf der orthodoxen Seite stärker als bei uns zur Disposition steht, ob Beschlüsse eines Konzils dann auch wirklich im Kirchenvolk angenommen werden. Wir hatten in der Vergangenheit - in der frühen Neuzeit und im Mittelalter - verschiedene Versuche, die Einheit zwischen Orthodoxen und Katholiken herzustellen. Auf dem Papier ist das gelungen. Aber diese Einigungsversuche sind vom Volk nicht angenommen worden. Sie sind gescheitert.

domradio.de: Nochmal ein Blick auf das Konzil selbst: Etwa 350 Bischöfe treffen sich - oder sollten sich treffen. Es werden jetzt deutlich weniger werden, weil fünf Nationalkirchen ja bereits abgesagt haben. Seit den 1960er Jahren wird das Konzil vorbereitet. Wie kann es trotzdem sein, dass es kurz vor dem Scheitern steht?

Lülsdorf: Weil eben jede Kirche ihre Spannungen mit sich schleppt. Das Konzil soll Ausdruck der Einheit sein. Und in dem Moment, wo in manchen Punkten keine Einheit besteht, da ist auch der Ausdruck der Einheit nicht mehr besonders glaubwürdig. Da geht es um Zuständigkeiten für Religionen. Das wird so erbittert ausgefochten, dass man zum Teil sogar die Eucharistie-Gemeinschaft abbricht. Von daher ist es sicherlich schwierig, diese Probleme zu überwinden. Man wird aber auch aufpassen müssen - das sagt die Orthodoxie gerne - dass auch wir nicht zu sehr westlich denken. Der konziliare Prozess läuft intensiv seit den 50er und 60er Jahren - erste Vorüberlegungen hat es sogar schon in den 20er und 30er Jahren gegeben. Und dieser Prozess an sich hat schon seinen Wert.

Das Interview führte Mathias Peter.

Das Interview ist Teil der Sendung "Zwischen Aufbruch und Absage – Orthodoxe Kirche ringt um das Konzil". Hier können Sie die Sendung anhören.


Quelle:
DR