Papst Franziskus geht auf die Protestanten zu

Von der Rechtfertigung zur Barmherzigkeit

Lange schien Franziskus die Ökumene mit den Kirchen der Reformation stiefmütterlich zu behandeln. Diesen Eindruck hat er inzwischen stark korrigiert. Gute Voraussetzungen für den Besuch des deutschen EKD-Vorsitzenden.

Franziskus beim Besuch der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom / © Angelo Carconi (dpa)
Franziskus beim Besuch der evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom / © Angelo Carconi ( dpa )

An diesem Donnerstag empfängt Papst Franziskus den EKD-Vorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm. Es ist die erste Begegnung der beiden - und das dritte Mal seit dem Amtsantritt von Franziskus, dass dieser mit einem Spitzenvertreter des deutschen Protestantismus zusammentrifft. Bereits einen Monat nach seiner Wahl hatte Franziskus im April 2013 Bedford-Strohms Vorgänger, Nikolaus Schneider, im Vatikan begrüßt. Er war der erste deutsche Besucher überhaupt. Im Dezember 2014 empfing er den Leitenden Bischof der Vereinigten-Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, Landesbischof Gerhard Ulrich.

Papstbesuch zum Reformationsjubiläum?

Er wolle auch das Reformationsjubiläum ansprechen, kündigte Bedford-Strohm an. Das gemeinsame Gedenken an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren ist zwischen dem Vatikan und dem deutschen Protestantismus ein heikles Thema. Wiederholt gab es Spekulationen, der Papst könnte zu einer gemeinsamen Zeremonie zu Luthers Wirkungsstätten nach Deutschland kommen. Allerdings waren von evangelischer Seite auch Bedenken zu hören, dass ein solcher Besuch Erwartungen schüren könnte, die der Papst nicht einlösen könnte. Eine offizielle Einladung von Franziskus durch die EKD gab es bislang nicht.

Mittlerweile dürfte sIch das Thema erledigt haben: Der Vatikan und der Lutherische Weltbund kündigten Ende Januar an, dass Franziskus zu einem ökumenischen Gedenken am 31. Oktober ins schwedische Lund reisen werde. Eine bemerkenswerte Geste: Der Papst begibt sich am Reformationstag als Gast an den Gründungsort des Lutherischen Weltbundes. Mit dieser Entscheidung hat der Vatikan zudem einmal mehr deutlich gemacht, dass der erste Ansprechpartner in Sachen Reformationsjubiläum für ihn nicht die EKD ist, sondern der Lutherische Weltbund. Das war nicht für alle Protestanten in Deutschland eine freudige Erkenntnis.

Offenheit des Papstes

Franziskus selbst hat im ökumenischen Dialog mit dem Protestantismus vor allem mit seiner beispiellosen Aufgeschlossenheit gegenüber den Freikirchen und den Pfingstlern von sich Reden gemacht. Als erster Papst überhaupt besuchte er 2014 eine freikirchliche Gemeinde und 2015 eine Kirche der Waldenser.

Franziskus ist diese Spielart des Protestantismus aus seiner lateinamerikanischen Heimat vertraut, wo Freikirchen und Pfingstler der katholischen Kirche starke Konkurrenz machen. Doch dahinter steht auch seine grundsätzlichen Einstellung, dass die Praxis wichtiger sei als die Theorie. Für die Ökumene heißt das: Der gemeinsame Einsatz der christlichen Konfessionen für Notleidende und gegen das Unrecht in der Welt kommt vor dem fachtheologischen Dialog über Differenzen in der Lehre. «Wenn wir glauben, dass die Theologen sich einmal einig werden, werden wir die Einheit am Tag nach dem Jüngsten Gericht erreichen», sagte Franziskus bei einer früheren Gelegenheit.

Papst und deutscher Protestantismus

Dem Papst aus Argentinien liegt gleichwohl auch der deutsche Protestantismus am Herzen. Das zeigte sein Besuch in der deutschsprachigen Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Rom im November 2015. Mit seiner dortigen Aussage zum gemeinsamen Abendmahl in gemischtkonfessionellen Ehen machte er deutlich, dass ihm die Gewissensnöte katholisch-evangelischer Ehepaare wohlvertraut sind.

Falls sich Franziskus und Bedford-Strohm doch über Theologie unterhalten wollten, wäre Benedikt XVI. der geeignete Stichwortgeber. Der emeritierte Papst schlug jüngst eine kühne theologische Brücke zwischen Martin Luther und Franziskus. Seine These: Franziskus' Kurs der Barmherzigkeit sei die Rechtfertigungslehre des Reformators in modernem Gewand.

Neuer Martin Luther?

Für den heutigen Menschen hätten sich die Dinge gegenüber der Zeit Luthers in gewisser Hinsicht umgekehrt. Was früher die Rechtfertigung durch den Glauben gewesen sei, das sei heute die Barmherzigkeit Gottes. So lasse sich der Kern der Rechtfertigungslehre heute «neu verstehen und erscheint wieder in seiner ganzen Bedeutung». Ist Papst Franziskus also ein neuer Martin Luther? Soweit ging Benedikt XVI. freilich nicht.


Franziskus beim Besuch der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Rom / © Angelo Carconi (dpa)
Franziskus beim Besuch der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde in Rom / © Angelo Carconi ( dpa )
Quelle:
KNA