"Woche der Brüderlichkeit" hat in der Flüchtlingskrise besondere Bedeutung

Anstoß für ein friedliches Miteinander

Das Verhältnis zwischen Christentum und Judentum ist ab Sonntag Thema der "Woche der Brüderlichkeit". Das eigentliche Motto: "Um Gottes Willen". In Berlin stieß das aber auf Kritik und wurde nach regen Diskussionen abgeändert. Ein domradio.de-Interview.

Jüdischer Gläubige mit Kippa / © Ralf Hirschberger (dpa)
Jüdischer Gläubige mit Kippa / © Ralf Hirschberger ( dpa )

domradio.de: Die Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin war aber dieses Jahr mit dem vorgegebenen Motto "Um Gottes Willen" nicht zufrieden. Was ist daraus letztenendes geworden?

Ulrich Schürmann (einer der beiden Vorsitzenden der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit in Berlin): In Berlin haben wir in der Gesellschaft sehr rege diskutiert, ob nicht für die meisten "Um Gottes Willen" eigentlich in erster Linie der Schreckensruf ist - das Entsetzen, wenn etwas schief läuft oder schief zu laufen droht. Besonders unsere jüdische Seite - unsere jüdische Vorsitzende, ihre Stellvertreterin - sagten, das stecke ihnen seit frühester Kindheit regelrecht in den Knochen. Wir haben überlegt, wie wir möglichst nah an dem bleiben können, was der Koordinierungsrat den Gesellschaften vorgegeben hat und haben für Berlin gesagt: "So Gott will". Das kann sowohl in den Sprüchen Salomos - im dritten Kapitel, Vers sechs - abgeleitet werden oder auch aus dem Brief des Jakobus, im vierten Kapitel, im fünfzehnten Vers. Viele jüdische Menschen haben in früheren Jahren ganz selbstverständlich "SGW" an den Anfang eines Briefes gesetzt. Wir fanden, das sei eben auch eine Möglichkeit, von dem negativen, was in der Aussage "Um Gottes Willen" mit drinsteckt, abzulenken und auf das Positive zu kommen. 

domradio.de: Es geht in der Woche um die neuerliche Präsenz des Religiösen in der sekularen modernen Gesellschaft. Es klingt nach einem Blick nach vorne. Was erwartet die Besucher da?

Schürmann: Ich denke, dass in dieser Zeit, in der auch mit dem großen Flüchtlingsstrom natürlich viele Muslime neu ins Land kommen, die Vielfalt der Religionen noch einmal deutlich wird und das Miteinander der Religionen, das friedliche Miteinander, das Ringen um ein friedliches Miteinander von größerer Bedeutung sein wird. Von daher bin ich froh, dass die Woche der Brüderlichkeit dazu wieder einen Anstoß geben kann, darauf aufmerksam zu machen, wie es um die Ökumene in der Gesellschaft bestellt ist, nicht nur um die christliche Ökumene, sondern auch um den interreligiösen Dialog überhaupt.

domradio.de: Gibt es etwas, was für Sie im Programm besonders heraussticht?

Schürmann: Für uns in Berlin ist es ja in diesem Jahr so, dass die evangelische Seite dran ist. Alle drei Jahre wechseln wir, damit das Programm einmal stärker von der katholischen, von der evangelischen, von der jüdischen Seite bestimmt wird. Ein Jahr vor dem Reformationsjubläum sind wir sehr froh, dass wir die Chance haben, in diesem Jahr dran zu sein. Wir freuen uns, dass unser Berliner Erzbischof Heiner Koch das erste Mal im interreligiösen Dialog sichtbar wird, auch ein Grußwort sprechen wird und dass die Bischöfe gemeinsam dasein werden. Auch die jüdische Gemeinde ist wieder präsent. Die Bürgermeisterin von Berlin, Dilek Kolat, wird eröffnen - auch damit eine Senatorin mit Migrationshintergrund. Das heißt, dass schon alleine in dieser Eröffnungsveranstaltung die Vielfalt deutlich zum Ausdruck kommt. Wir haben zur musikalischen Eröffnung einen "Begegnungschor" eingeladen, der zur Hälfte aus Migranten besteht, so dass auch da ein hoher islamischer Anteil ist.

domradio: Lassen Sie uns kurz noch einmal auf die Zusammenarbeit zwischen Christen und Juden schauen. Tut so eine Auffrischung der Beziehung nicht immer wieder mal gut?

Schürmann: Sie ist immer wieder notwendig. Der Anstoß muss immer wieder kommen, man sollte sich da auf den Weg machen. Es ist ja auch für die jüdische Gemeinschaft wichtig zu wissen, dass sie in der Diaspora-Situation nicht alleingelassen wird, dass wir an ihrer Seite sind, dass wir ein Interesse haben, gemeinsam das Gespräch zu führen, mit ihnen zu diskutieren. Das ist ja leider erst nach dem Holocaust passiert. Ein wirklich ernsthaftes christlich-jüdisches Gespräch hat es davor nicht gegeben. Aber um Geschichte sich nicht wiederholen zu lassen ist es eben auch bitter notwendig.   


Quelle:
DR