Buß- und Bettag der evangelischen Christen

Tag der Neuorientierung

Die Protestanten in Deutschland begehen an diesem Mittwoch den Buß- und Bettag. Der EKD-Vorsitzende Heinrich Bedford-Strohm sagte am Morgen im Gottesdienst in München, dass Beten und Lebensfreude keine Gegensätze seien.

Hände beim Gebet / © Friso Gentsch (dpa)
Hände beim Gebet / © Friso Gentsch ( dpa )

Evangelische Christen begehen den Buß- und Bettag am ersten Mittwoch nach dem Volkstrauertag. Der Gedenktag ist kein arbeitsfreier Feiertag mehr, die einzige Ausnahme ist Sachsen. Bundesweit laden viele Gemeinden meist am frühen Abend zu Andachten ein, um auch Berufstätigen die Teilnahme zu ermöglichen. Dabei stehen traditionell Besinnung, kritische Lebensbilanz und Neuorientierung im Mittelpunkt.

"Die vielen tausend Menschen, die derzeit auf der Flucht vor Hunger, Terror und Verfolgung sind und die unter anderem Zuflucht in Deutschland suchen, führen uns vor Augen, wie viel Gewalt und Ungerechtigkeit es in der Welt gibt", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, dem Evangelischen Pressedienst zum diesjährigen Buß- und Bettag. Der 18. November könne ein Datum sein, "an dem wir uns verpflichten, dass wir dieses Unrecht nicht länger gewillt sind hinzunehmen".

Der Kasseler Bischof Martin Hein sagte, angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation könne Beten Menschen in ihrer Hilfe bestärken, Ängstliche in Bewegung bringen und allen die Angst nehmen. Gottes Hilfe könne den Menschen Mut geben, neue Wege der Hilfe zu gehen, ergänzte der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Als Beispiel nannte Hein die Öffnung der Kirchen im Winter für Menschen, die kein Dach über den Kopf hätten. "Wir schaffen das - aber nicht allein", ermutigte Hein die Gemeinden.

Streit um den Buß- und Bettag

Zusammen mit der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck erinnert die bayerische Landeskirche an den Buß- und Bettag seit einigen Jahren mit einer Öffentlichkeitskampagne. Das diesjährige Plakatmotiv zur Aktion zeigt zum Gebet gefaltete Hände, darunter die Frage "Machtlos?". Das Motiv ist auf der Internetseite www.busstag.de, auf Flyern und in Zeitungsanzeigen zu sehen.

Der Feiertag wurde vor 20 Jahren zum politischen Zankapfel: Der protestantische Buß- und Bettag, erstmals 1532 im mittelalterlichen Straßburg offiziell eingeführt, wurde 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer in Sachsen als gesetzlicher Feiertag ersatzlos gestrichen. Mehrere Initiativen zur Wiedereinführung des arbeitsfreien Feiertages blieben ohne Erfolg.

Bedford-Strohm: Beten und Lebensfreude keine Gegensätze

Heinrich Bedford-Strohm hat am Mittwoch im Gottesdienst angesichts der Terroranschläge von Paris die universale Kraft des Gebets hervorgehoben. "Wer in diesen Tagen betet, bringt sein Erschrecken, seine Fassungslosigkeit zum Ausdruck", sagte der bayerische Landesbischof laut Manuskript in der Münchner Bischofskirche St. Matthäus.

Menschen aus aller Welt hätten getwittert, dass sie für die Terror-Opfer beteten, sagte Bedford-Strohm weiter. Das Twitterhashtag #PrayforParis habe innerhalb kürzester Zeit unzählige Menschen auf der ganzen Welt erreicht. "In der Hoffnung, dass der Hass, der uns wieder seine Fratze zeigt, nicht auch von uns selbst Macht ergreift. Dass die Angst uns nicht überschwemmt. Dass wir all dem etwas entgegensetzen können."

Nicht alle jedoch hielten den weltweiten Gebetsaufruf für eine gute Idee, räumte Bedford-Strohm ein. Ein Zeichner der französischen Satire-Zeitschrift Charlie Hebdo, die im Januar Ziel von Terroranschlägen geworden war, teilte mit, dass nicht mehr Religion gebraucht werde, sondern mehr "Musik! Küsse! Leben! Champagner! Freude!". Beten und Lebensfreude seien aber keine Gegensätze, mahnte Bedford-Strohm, gab zugleich aber auch zu, dass der Glaube pervertiert werden, Gebete missbraucht werden könnten. Das sei Gotteslästerung.

Der Bischof kritisierte, dass das Leid anderer zu schnell vergessen werde. "Wir haben so lange weggeschaut, als in den Flüchtlingslagern des Nahen Ostens das Geld für die Nahrung ausging." Als Konsequenz seien viele nach Europa und Deutschland geflohen. Nun müsse man den Flüchtlingen beistehen und dürfe nicht mehr wegschauen.


Quelle:
epd