Berggottesdienste sind bei Touristen beliebt

Der Berg kennt keine Konfessionen

Im Urlaub finden viele Menschen Zeit, sich mit Sinn- und Glaubensfragen zu befassen. Die Kirchen sind deshalb an Ferienorten mit vielen Angeboten vertreten - in Oberstaufen im Allgäu sogar betont ökumenisch.

Autor/in:
Bernd Buchner
Pastoralreferent Josef Hofmann (r.) und der evangelische Pfarrer Klaus Zastrow bei einen ökumenischen Gottesdienst an der Hochgrat-Bergstation im Allgäu (KNA)
Pastoralreferent Josef Hofmann (r.) und der evangelische Pfarrer Klaus Zastrow bei einen ökumenischen Gottesdienst an der Hochgrat-Bergstation im Allgäu / ( KNA )

Die Sonne strahlt, das Wetter hält. Der Wind ist nur ein laues Lüftchen, auch auf 1.708 Metern am Hochgrat bei Oberstaufen. Nicht einmal die mitgebrachten Wäscheklammern braucht Josef Hofmann, um seine Notizzettel zu befestigen. "Wir haben hier schon alles erlebt", sagt der katholische Pastoralreferent, während er den Gottesdienst an der Bergstation vorbereitet. Vor zwei Jahren zog hier ein Orkan auf, die Feier wurde flugs ins Restaurant verlegt, wo bald darauf der Strom ausfiel. Auch die Bergbahn stand still, keiner der Besucher wusste, ob er an diesem Abend noch ins Tal kommen würde.

Nichts von alledem heute. Der Berg ruht und kennt auch keine Konfessionen. Die Gondel hinauf hat sich der 58-jährige Hofmann mit zwei evangelischen Kollegen geteilt: Pfarrer Klaus Zastrow aus Bückeburg in Niedersachsen, als Ferienseelsorger für vier Wochen in Oberstaufen, wird gleich den Gottesdienst mitfeiern und sich launig als «preußische Verstärkung für Bayern» vorstellen. Auch der evangelische Ortsgeistliche Frank Wagner ist dabei. Er hat das Auto bis zur Talstation gelenkt, nun fungiert er als Taschenträger, Liedzettelverteiler und Mädchen für alles.

Marketing und Seelenheil ergänzen sich

Sachte bereiten Hofmann und Zastrow den Tisch vor, der ihnen als Altar dienen wird. Etwas abseits des Gaststättenbereichs stehen Bierbänke bereit, auf denen es sich die ersten Besucher gemütlich machen. Der 24-jährige Steffen Meinecke aus Hattorf am Harz und die 19-jährige Ronja Dorr aus Steinheim an der Brenz sind für zwei Wochen im Urlaub. Sie haben sich vorab über kirchliche Angebote informiert, jetzt blicken sie erwartungsvoll in die Sonne. Ebenso wie Sabine Memmel aus Schweinfurt, die ihren kurenden Mann Romwald besucht. Der Glaube ist ihr wichtig, aber: "Man muss das nicht in der Kirche machen."

Josef Hofmann zieht sich ein schlichtes helles Gottesdienstgewand über. Die Gottesdienste sind für den verheirateten Vater von vier erwachsenen Kindern ein Highlight, zumal es nirgendwo anders so viele ökumenische Feiern gibt wie hier: 33 sind es jedes Jahr. Bei den geistlichen Angeboten in Oberstaufen arbeiten die Kirchen eng mit der Tourismuszentrale zusammen. «Wir haben noch nie etwas gegeneinander gehabt», sagt deren Chefin Bianca Keybach. Marketing und Seelenheil ergänzen sich in dem Ort mit jährlich 1,4 Millionen Übernachtungen.

Das erste größere Projekt war das Kapellenwanderungsprogramm. Oberstaufen gilt als Mekka der Wanderer, im Marktgebiet liegen 28 Kirchen und Kapellen - warum nicht das eine mit dem anderen verbinden? Geführte Touren wurden angeboten, mit Erklärungen und spirituellen Impulsen. "Wir wollten eine Verbindung schaffen, diese religiösen Stätten erfahrbar zu machen", sagt Pastoralreferent Hofmann. Der Ort sorgte für den Druck des entsprechenden Flyers. Viele weitere Angebote kamen hinzu, inzwischen füllt das ökumenische Veranstaltungsprogramm "Atempausen" Dutzende Seiten.

Nach dem Gottesdienst ein Bier

Am Hochgrat hat die Feier begonnen, selbst an den Gasttischen klappern die Leute nicht mehr ganz so laut mit ihrem Schnitzelbesteck. Pfarrer Wagner geht mit Liedzetteln herum, die Musikkapelle Stiefenhofen sorgt derweil für gehobene Stimmung. Wohl an die hundert Menschen folgen bewusst der Feier, unzählige weitere stehen oder sitzen am Rande, schnuppern hinein, nehmen die Stimmung auf. Josef Hofmann, weißes Gewand und geistlich-schwarze Mütze gegen die Sonne, sagt in seiner Predigt, es gehe nicht um Weiß und Schwarz. "Wir wollen alles, was dazwischen ist, auch erreichen."

Nach der Feier packen die drei von der Kirche ihre Sachen wieder genauso unaufgeregt zusammen, wie sie sie ausgebreitet haben. Nun ist auch für sie Essenszeit, während die rote Sonne in den fernen Bodensee versinkt. Eine kleine Nachbetrachtung beim Bier, dann reihen sich die Geistlichen in die Schlange für die Seilbahn zurück ins Tal. "Ich erlebe dieses Arbeitsfeld als sehr fruchtbar", sagt Josef Hofmann, der seit 1998 in Oberstaufen lebt. Zwar hat man nicht jeden Tag einen Gottesdienst auf dem Hochgrat. "Es gibt auch die Niederungen des Alltags. Aber es ist etwas in Bewegung geraten."


Quelle:
KNA