Ökumeneexperte: Ukrainekrise fordert Orthodoxe heraus

Panorthodoxer Zunder

Der katholische Ostkirchenexperte Johannes Oeldemannn bezweifelt, dass sich das panorthodoxe Konzil über eine selbständige orthodoxe Kirche in der Ukraine einig wird. Im domradio blickt er auf das Jahrtausend-Treffen.

Poroschenko besucht Kiewer Kirche (dpa)
Poroschenko besucht Kiewer Kirche / ( dpa )

domradio.de: Tausend Jahre sind eine lange Zeit. Warum haben sich die Vertreter der Kirchen so lange nicht getroffen?

Johannes Oeldemann (Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn): Das liegt daran, dass die politischen Konstellationen über viele Jahrhunderte ein solches Treffen nicht zugelassen haben. Zunächst einmal war nach dem Bruch zwischen Ost und West die orthodoxe Kirche lange Zeit im osmanischen Reich hauptsächlich beheimatet. Teile der Orthodoxie gehörten aber auch zum Beispiel zum russischen Zarenreich. Diese beiden Reiche waren miteinander verfeindet, so dass ein Treffen über diese politischen Grenzen hinweg nicht möglich war.

Im 20. Jahrhundert haben dann zunächst die kommunistischen Regimes ein solches Treffen der Orthodoxen Bischöfe in der ganzen Welt verhindert. Praktisch erst seit dem Zusammenbruch des Kommunismus Anfang der 1990er Jahre konnte man konkret an die Vorbereitungen eines solchen Treffens gehen.

domradio.de: Eines der großen Themen soll die innerorthodoxe Verständigung sein. Was genau darf ich mir darunter vorstellen?

Oeldemann: Es gibt auf Grund der Tatsache, dass die Orthodoxen so lange kein gemeinsames Konzil hatten viele Fragen, die innerorthodox zu klären sind. Beispielsweise wie denn eine orthodoxe Ortskirche als selbstständig, als autokephal anerkannt werden kann? Wer dafür zuständig ist? In welcher Form diese Anerkennung ausgesprochen wird?

Dann auch die Frage, wie man die Strukturen der orthodoxen Kirche in der Diaspora, also in Regionen, die traditionell nicht orthodox waren organisiert: Beispielsweise in Deutschland, in Frankreich oder in Amerika. Da hat man zwar inzwischen die vorrübergehende Lösung einer orthodoxen Bischofskonferenz gefunden, aber langfristig wäre es vermutlich das Ziel, dass man dort auch eigene orthodoxe Ortskirchen einführt.

Dann gibt es andere Fragen, wie die Kalenderfrage oder die Fastenvorschriften oder auch Ehebestimmungen, die dann innerorthodox ebenfalls zu klären wären.

domradio.de: Ein anderes Thema ist das Verhältnis zu den anderen Kirchen. Welche Knackpunkte gibt es da?

Oeldemann: Da geht es zunächst einmal darum, dass man sich überhaupt verständigt, wie man denn die Tatsache bewertet, dass es getaufte Christen gibt, die nicht orthodox sind. Das ist ein Klärungsprozess, der ja auch in den westlichen Kirchen einige Zeit gedauert hat und in der katholischen Kirche beispielsweise mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu einem gewissen Abschluss gekommen ist.

Innerorthodox gibt es da durchaus verschiedene Positionen. Es gibt die strenge Richtung, die sagt als Kirche können wir nur diejenigen anerkennen, die orthodox sind. Alles andere sind Schismatiker und Häretiker. Es gibt dann aber auch diejenigen, die sagen, nein, so können wir das nicht definieren, die Grenzen der Kirche Jesu Christi sind weiter als die kanonischen Grenzen der orthodoxen Kirche.

Hier muss man zu einer Verständigung zwischen den verschiedenen Strömungen kommen und das nicht nur im Blick auf das Verhältnis zu den anderen christlichen Konfessionen, sondern im Blick auf die Mitarbeiter Orthodoxie. Zum Beispiel im ökumenischen Rat der Kirchen ist das eine wichtige Frage, die sozusagen der Klärung bedarf.

domradio.de: Ein Treffen aller orthodoxen Kirchenführer ist seit 1961 geplant, umgesetzt wurde es bisher aber nicht. Auch diesmal gibt es Zweifel, ob der Zeitplan so gehalten werden kann. Schuld daran sollen Kontroversen zwischen den Kirchen sein. Welche sind das?

Oeldemann: Die Kontroversen betreffen unterschiedliche Bereiche, die härtesten Kontroversen erwarte ich eigentlich im Bereich auf die innerorthodoxen Fragestellungen, also sprich: wie kann eine Ortskirche als autokephal, als selbstständig anerkannt werden, weil es dort ein Rangstreit zwischen den Patriarchaten gibt.

Vor allen Dingen das Patriarchat von Konstantinopel, das traditionell an erster Stelle der orthodoxen Kirchen steht, weil es in der Reichshauptstadt des oströmischen Reiches beheimatet war und das Patriarchat von Moskau, was heute das zahlenmäßig größte und einflussreichste Patriarchat ist, spielen da eine Rolle. Sie treffen in bestimmten Regionen, wie zum Beispiel gerade der Ukraine aufeinander.

Die Frage, ob die orthodoxe Kirche in der Ukraine eine Selbstständigkeit erlangen soll oder weiterhin zum Moskauer Patriarchat gehören wird, ist eine der zentralen Herausforderungen vor denen das panorthodoxe Konzil steht.

Ich bin etwas skeptisch, ob es wirklich zu einer Lösung kommen wird, denn man hat sich im Vorhinein auf ein Konsensverfahren geeinigt. Das heißt alle Entscheidungen können nur im Konsens getroffen werden. Ob das wirklich möglich wird in diesen umstrittenen Fragen einen Konsens zu erzielen, das wird von vielen Beobachtern derzeit zu recht noch in Frage gestellt.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR