Pfarrer über die Grenzen von Predigt nach Bremer Religionsbeleidigung

Missbrauchte Worte

Am Mittwoch wollen Bremer Kirchenvertreter gegen einen umstrittenen Pastor protestieren. Er hatte in einem Gottesdienst andere Religionen beleidigt. Seine Ansprache verdiene nicht den Titel Predigt, meint Pfarrer Marquardt.

Umstritten: Pastor Latzel (dpa)
Umstritten: Pastor Latzel / ( dpa )

domradio.de: Wird auch in Ihrem Umkreis über die Predigt von Pastor Latzel gesprochen?

Pfarrer Jonas Marquardt (Evangelische Kirchengemeinde in Düsseldorf-Kaiserswerth): Das ist am Rande ein Thema. Die Aufregung hält sich hier in Grenzen. Allerdings muss man sagen, die Martini-Gemeinde in Bremen hat durchaus ihren Ruf und man ahnt, in welcher Tonlage dort gepredigt wird.

domradio.de: In seiner Predigt schießt Pastor Latzel gegen den Islam. Kategorisch schließt er aus, dass seine Zuhörer an muslimischen Feiertagen teilnehmen, wenn zum Beispiel die erwachsenen Kinder in einer Partnerschaft mit einem Muslim leben. Wörtlich sagte Latzel: "Muss ich denn da auch mitmachen, wenn die uns einladen zu ihrem Zuckerfest und all diesem Blödsinn? - Nein, da müssen wir ganz sauber bleiben." Die Bremer Kirchenleitung bezeichnet Latzels Predigt als geistige Brandstiftung. Der Pastor kontert jedoch, er sei lediglich gegen eine Vermischung der Religionen, wie ordnen Sie denn die Predigt des Pastors ein?

Pfarrer Marquardt: Ich habe mir diese Predigt in Gänze angehört und kann der Kirchenleitung - so ungerne ich das grundsätzlich tue - nur zustimmen. Das ist unverantwortlich unter der Rubrik und Überschrift einer Predigt, so derart undifferenziert und doch wie das Beispiel zeigt von einer unterschwelligen Angst und einer nicht einmal unterschwelligen Aggressivität befeuert zu predigen. Das halte ich schlicht für einen Bruch der Gattungsgesetze. Das gehört nicht in die Predigt!

domradio.de: Jetzt ist die Predigt im evangelischen Gottesdienst das zentrale Element, anders als im katholischen Gottesdienst. Was darf denn da ein Prediger und wo sind die Grenzen?

Pfarrer Marquardt: Die Grenzen sind da, wo schlicht die Ebene verlassen wird, um die es in der Predigt zu allererst und zuletzt geht: Es geht in der Predigt darum, das Werk Gottes und sein Wort auszurichten und wenn wir Glück haben und Gott seinen Segen dazu gibt, dann kann und soll das zu Gottes Tun selber an den Menschen, an den Hörenden werden. Wenn aber die Predigt für eine politische oder quasi politische Programmveranstaltung gleich weder Couleur missbraucht wird, dann ist es eben keine Predigt, sondern eine Propaganda, eine Demagogie oder eine Dummheit und möglicherweise alles auf einmal. Wenn in der Predigt der Handelnde, das erkenntnisleitende Interesse so deutlich nicht mehr Gott sein soll, sondern die subjektive, die tagespolitische Meinung des Predigenden, dann ist etwas im Argen, das gilt egal aus welcher Richtung des Spektrums diese Interessen, die den eigentlichen Sinn von Predigt überlagern kommen.

domradio.de: Propaganda, Demagogie, Unfug. Auch die Katholiken kommen nicht ungeschoren in der Predigt von Pastor Latzel davon. Da ist die Rede von "Reliquiendreck", Teile der Lehre der katholischen Kirchen seien "ein ganz großer Mist", bei aller Ökumene könne man da nicht mitmachen, meint Pastor Latzel. Wie gehen Sie denn im ökumenischen Dialog mit Differenzen um, ohne den anderen herabzusetzen, das eigene Bekenntnis aber nicht zu verleugnen? Möglicherweise sind Sie ja konform mit seinen Aussagen, aber die Art seiner Aussage geht wahrscheinlich nicht?

Pfarrer Marquardt: Die Art ist vollkommen indiskutabel und der Inhalt dürfte nach meinem Erkenntnisstand und Lebenshorizont, ehrlich gesagt, auch weitestgehend überholt sein. Es gab vielleicht im ganzen Erzbistum Köln niemanden, der enttäuschter war als ich als der vormalige Erzbischof entschieden hat, hier in Kaiserswerth zu einer großen Jubelfeier des Ortsheiligen Suitbertus die Schreinsöffnung, die gute Prozessions- und Anbetungstradition vor zwei Jahren nicht vornehmen zu lassen. Ich war außerordentlich enttäuscht! Ich wollte der Vergangenheit ins Gesicht schauen. Ich habe dann brav auf andere Weise Suitbertus in meiner Predigt zu diesem Anlass angesprochen. Die Differenzen sind wahrhaftig da und wir können und müssen uns ihrer bewusst sein und sie pflegen, aber die Gemeinsamkeiten, die uns tragen, die sind so überwältigend und überwiegend, dass ich mir wirklich nicht vorstellen kann, wie ein Mensch 500 Jahre der Entwicklung oder die letzten 50 Jahre der Entwicklung verpasst haben kann. Das ist schon geradezu beklemmend, dass man Popanze von anno dazumal in dieser Form auf die Predigt und heute eben nicht mehr nur in die Predigt auf der Kanzel, sondern ins Internet weltweit stellt. Es zeugt von Dummheit.

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR