Nach der Synode der Evangelischen Kirche

"Nah bei den Menschen sein und sich einmischen"

Mehr als elf Millionen Euro will die Evangelische Kirche im Rheinland einsparen. Ihr Präses Manfred Rekowski sagt im Gespräch mit domradio.de, wie sich die Evangelische Kirche dennoch weiter in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen will.

Präses Manfred Rekowski (dpa)
Präses Manfred Rekowski / ( dpa )

domradio.de: 11,3 Millionen Euro - das ist eine Stange Geld. Wo werden Sie die einsparen?

Rekowski: Wir haben versucht, insbesondere auch bei den Gebäudekosten zu sparen. Das heißt, wenn Tagungshäuser defizitär sind, werden wir versuchen, das zu ändern: die Tagungshäuser aufzugeben, einem anderen Betrieb zuzuführen. Ein anderes Beispiel: Die neun evangelischen Schulen werden von uns auf landeskirchlicher Ebene mit zwölf Millionen Euro finanziert. Diese Schulen sind uns wichtig, wir werden sie nicht schließen. Aber wir werden versuchen, die Kosten deutlich zu senken, etwa durch ein verändertes Schulmanagement. 

domradio.de: Haben Sie denn nicht Angst, dass durch lauter Wirtschaftlichkeit die kirchliche Handlungsfähigkeit den Bach runtergehen könnte?

Rekowski: Genau diese Sorge haben wir nicht. Wir werden das sehr verantwortlich tun. Ich nenne mal ein anderes Beispiel: Wenn wir etwa die Arbeit der Evangelischen Akademie so verändern wollen, dass wir weiter die inhaltliche Arbeit im bisherigen Umfang leisten, uns einmischen in den gesellschaftlichen Diskurs um Themen wie Sozialethik, Sterbehilfe oder Friedensethik, dann werden wir nicht an dem Dozententeam sparen, sondern an Gebäudekosten oder am Tagungshausbetrieb.

Wir werden standortunabhängiger arbeiten, werden kirchliche und nichtkirchliche Veranstaltungsorte aufsuchen. Da sind wir ein Stück phantasievoll geworden. 

domradio.de: Das heißt, Sie wollen gewährleisten, dass die Evangelische Kirche im Rheinland ihrem seelsorgerischen Auftrag trotzdem weiter gerecht werden kann?

"Werden auch in Zukunft Kirche Gottes und der Welt sein"

Rekowski: Exakt darum geht es. Unsere Kirche ist ja sehr dezentral organisiert. Wir sprechen jetzt hier in Bad Neuenahr über die landeskirchliche Ebene. Aber es geht genau darum, dass wir uns nicht zurückziehen aus der Gesellschaft, dass wir nicht in ein Schneckenhaus der Kirchlichkeit flüchten, sondern dass wir uns weiter als Kirche mit dem Glauben in die Welt einbringen. Wir sind Kirche Gottes und der Welt und das werden wir auch in Zukunft sein.

domradio.de: Sie sehen die Sparmaßnahmen durchaus als Chance. Und Sie haben gesagt, dass jetzt der Kopf für die grundlegenden inhaltlichen Fragen und Weichenstellungen frei ist. Was sind das für Weichenstellungen?

Rekowski: Ich möchte das gerne noch einmal deutlich machen. Die Formen der Kirchlichkeit, die uns vertraut sind, werden vermutlich nicht über Jahre und Jahrzehnte in Serie gehen können. Wir haben gerade eine Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung von der Evangelischen Kirche in Deutschland durchgeführt, in der wir sehen, wie unsere Mitglieder ticken. Wie eng oder wie fern die Beziehung zur Kirche ist. Die Untersuchung hat die Überschrift "Zwischen Engagement und Indifferenz". Das ist das ganze Spektrum. Die Kirchenmitglieder sind durchaus wählerisch. Sie suchen selber eigene Positionen. Das heißt, wir werden nicht von einer Kontinuität von Arbeitsformen ausgehen können, sondern müssen uns ganz neu darauf einlassen.

Junge Leute, die in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, kommunizieren völlig anders als das in der Vergangenheit war. Da ist unser Ziel, eine veränderungsfähige Kirche zu werden und ich glaube, dass das auch geht. Die Synode war sehr mutig in ihren Entscheidungen. Wir springen weit - auch deswegen, damit wir uns nicht alle Jahre wieder mit innerkirchlichen Themen befassen. Sondern damit wir sagen: Was braucht die Welt, was brauchen die Menschen, und wie können wir eine Kirche sein, die ganz nah bei den Menschen und ihren Fragen ist und sich einmischt.

domradio.de: Was waren denn außer dem Sparpaket die großen Themen auf der Synode?

Rekowski: Es gab auch ganz viele inhaltliche Themen. Wir haben uns natürlich mit den Ereignissen in Paris beschäftigt und haben gesagt: Gerade jetzt gemeinsam! Das ist die Botschaft. Wir wollen uns weder vom Terror noch von der Angst bestimmen lassen. Wir haben auch über die Flüchtlingsfrage sehr intensiv nachgedacht und die Synode wird eine Million Euro in die Hand nehmen, um die Flüchtlingsarbeit in den Kirchenkreisen zu unterstützen. Obwohl wir sparen müssen, werden wir damit ein Ausrufezeichen setzen. Das heißt, wir sind nah dran an den Themen, die die Gesellschaft bewegen. 

domradio.de: Papst Franziskus hat gesagt, Satire dürfe nicht alles, gerade wenn es um religiöse Fragen gehe. Würden Sie ihm da zustimmen?

"Respektvollen Umgang erwarte ich von allen, auch von nichtreligiösen Menschen"

Rekowski: Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft. Von daher gehört es zum Realitätssinn, dass wir damit leben müssen, dass auch dem Glauben und der Kirche mit Ironie und Satire begegnet werden. Das gehört zur Realität. Aber für mich gehört es genauso zu einer menschlichen Grundhaltung, dass man nicht alles tut, was möglich wäre. Von daher finde ich, dass Menschen im Umgang miteinander darauf achten müssen, dass sie andere nicht verletzen. Das ist für mich ein Maßstab, an dem ich mich orientieren will und an dem wir als Kirche uns orientieren wollen. Wir sollten keine Schere im Kopf haben aber im Blick behalten, was andere Menschen in ihren religiösen Gefühlen verletzen könnte. Respektvollen Umgang erwarte ich von allen, auch von nichtreligiösen Menschen.

domradio.de: Was nehmen Sie mit von Ihrer Synode?

Rekowski: Ich bin ausgesprochen dankbar für eine Synode, die sehr vertrauensvoll zusammenarbeitet, und eine Kirchenleitung, die wahrnimmt, was die Synode bewegt. Wir sind da wirklich in guter Weise im Gleichschritt unterwegs. Vertrauen ist die Voraussetzung dafür, dass man die Hausaufgaben gut erledigen kann. Ich bin dankbar und auch ein bisschen stolz auf eine Synode, die so schwierige Entscheidungen im Konsens getroffen hat.

 

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.


Quelle:
DR