Diskussion um die "gerechte Bibel" auf dem Kirchentag

Nicht für den Gottesdienst geeignet

Leitende Theologen aus der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) haben den Übersetzerkreis der umstrittenen "Bibel in gerechter Sprache" aufgefordert, die Prinzipien ihrer Übersetzung einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen. Es stehe mehr auf dem Spiel als einzelne Fehlentscheidungen und Fehlgriffe.

 (DR)

Über die Beseitigung einzelner Mängel werde sich eine Verständigung erreichen lassen, schreiben der Präsident des EKD-Kirchenamtes, Hermann Barth, und der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende, Bischof Christoph Kähler, in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Mittwochsausgabe). Der Kern der Auseinandersetzung liegt jedoch tiefer.

Prinzipien der Übersetzung
Auf dem Kirchentag wird Kähler mit dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Peter Steinacker über die umstrittene Neuübersetzung diskutieren. Sie war im Oktober vergangenen Jahres erschienen.
Steinacker gehört neben der nordelbischen Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter zu den Förderern des Projekts. Auffälliges Kennzeichen der Übersetzung ist, dass der Ausdruck "Herr" ersetzt wurde durch "die Heilige", "Ich-bin-da", "Adonaj" oder "der Ewige". Die Übersetzer berufen sich auf die Kriterien geschlechtergerechte Sprache, soziale Gerechtigkeit und Gerechtigkeit hinsichtlich des christlich-jüdischen Dialogs.

Wahrung der reformatorischen Identität
Beim Streit um die "gerechte Bibel" geht es Barth und Kähler zufolge um die Wahrung der reformatorischen Identität und damit den Kern des protestantischen Selbstverständnisses. Als kritisches Korrektiv stehe die Bibel jeder Vereinnahmung zu theologischen, kirchlichen oder anderen Zwecken entgegen. In protestantischer Tradition sei sie "unverfügbares Gegenüber" jeder Äußerung christlicher Theologie und christlichen Glaubens. Deshalb sei eine Übersetzung biblischer Texte in besonderer Weise verpflichtet, deren eigene Aussageabsicht wiederzugeben.

Nicht für den Gottesdienst geeignet
Die Theologen bekräftigen die Position des EKD-Rates und der lutherischen Bischöfe, dass sich die Bibel in gerechter Sprache nicht zum Gebrauch im Gottesdienst eigne. Vielmehr empfehle es sich, bei der Lutherübersetzung der Bibel zu bleiben. Dabei listen sie eine Reihe von Einzelbeispielen auf, bei denen die neue Übersetzung besonders irritierend sei. Vor allem wenden sie sich gegen die Praxis, die Gottesbezeichnungen "Herr" und "Vater" nur als Problem zu sehen.

Zugleich verweisen sie auf die Neigung, die gerechte Bibel in der Liturgie zu gebrauchen. Die Sprache des Gottesdienstes sei in der Vergangenheit allzu oft zum "Experimentierfeld" geworden, warnen Kirchenamtspräsident Barth und Bischof Kähler. Aufgrund des Wandels im Sprachempfinden empfehle es sich, in Abständen die gottesdienstliche Sprache zu erneuern: "Aber dies muss behutsam geschehen - ohne jeder neuen Mode hinterherzulaufen."

Dem Text dienen
Die beiden Theologen erkennen an, dass es auch positive Erfahrungen mit der Bibel in gerechter Sprache gebe. Mit der Übersetzung des Hiobbuches weise sie ausgesprochen gelungene Teile auf. Zur Belastung werde allerdings die Ausrichtung auf eine gerechte Sprache. Mit den drei Gerechtigkeitskriterien werde dem biblischen Text nicht gedient.
Gerechtigkeit könne bei einer Übersetzung nur bedeuten, dass sie im Sinne der Texttreue dem Text diene und diesen nicht "meistern" wolle.

Dem Argument der Übersetzer, jede Übersetzung sei unweigerlich zugleich Interpretation, halten Barth und Kähler entgegen, zulässig sei allenfalls die Interpretation, die den Sinn dessen, was dasteht, kläre und verdeutliche. Dies gelte nicht für eine Interpretation, die den biblischen Text vorgefassten Meinungen der Übersetzer unterwerfe.