Zeitzeugen erinnern sich an den Kirchentag 1965 in Köln

Als sich Adenauer und Niemöller umarmten

Keine Woche mehr und in Köln beginnt der 31. Evangelische Kirchentag. Neben Vertretern der beiden großen christlichen Kirchen wird auch Prominenz aus Politik und Gesellschaft erwartet. Das war schon 1965 so. Dass beim letzten Kirchentag in der Domstadt Eine mitdiskutierte, die später das unrühmliche Kapitel "Terrorgewalt in Deutschland" mitbegründen sollte, ahnte damals noch niemand.

 (DR)

Als Ulrike Meinhof auftrat
Als der Kirchentag zuletzt vor 42 Jahren zu Gast in Köln war, gehörte auch die Journalistin Ulrike Meinhof zu den prominenten Gästen. Lange bevor sie führendes Mitglied der "Rote Armee-Fraktion" wurde, provozierte sie im Gottesdienst-Forum zum Thema Glauben. "Wenn die Botschaft des Neuen Testaments menschenfreundlich ist  dann müsste es heute auch Situationen geben, in denen diese Botschaft mit der Welt, in der wir leben, zusammenkracht, in denen das nicht mehr alles glatt über die Bühne geht", sagte Meinhof damals.

Das Dokument findet sich in dem Buch "Kirche in Bewegung - 50 Jahre Deutscher Evangelischer Kirchentag". Weitaus mehr Aufruhr als Meinhof soll allerdings die Theologin Dorothee Sölle mit ihrem Referat "Kirche ist auch außerhalb der Kirche" verursacht haben. "Noch provokativer konnte der Unterschied zwischen manifester und latenter Kirche nicht formuliert werden", erinnert sich Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, 1965 Präsident des Kölner Kirchentages mit 13.000 Dauerteilnehmern.

Leitmotiv "In der Freiheit bestehen"
Zum Leitmotiv der Veranstaltung "In der Freiheit bestehen" gab es eine hochkarätig besetzte Vorlesungsreihe: Max Horkheimer, Karl Rahner und Carl Friedrich von Weizsäcker erläuterten den Freiheitsbegriff. "Wir waren Mitte der 60er Jahre in einem wirklichen Aufbruch begriffen", erinnert sich von Weizsäcker im evangelischen Magazin "chrismon plus rheinland".

Die Zeitansage sei sehr stark aus dem evangelischen Bereich gekommen.
Wobei der brisanteste Beitrag des Protestantismus der Nachkriegszeit auf dem Treffen vom 28. Juli bis 1. August 1965 in der Domstadt noch nicht einmal thematisiert wurde: Von der Ost-Denkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die Weizsäcker nur kurze Zeit später mitformulierte, war auf dem Kirchentag selbst offiziell nichts zu hören.

Fulminantes Kulturprogramm
In Erinnerung an Köln 1965 bleibt ein fulminantes Kulturprogramm: Lotte Lenya spielte Brecht, Texte von Dietrich Bonhoeffer wurden szenisch dargestellt und der junge Hanns Dieter Hüsch, seither Gast auf vielen Kirchentagen, stellte sich mit "Chansons, Gedichten und Geschichten" vor. Der heutige rheinische Präses Nikolaus Schneider wertet den Kirchentag im Rückblick als "echten Meilenstein für die Ökumene in Deutschland", auch auf dem bevorstehenden Kölner Kirchentag in der kommenden Woche werde die Ökumene groß geschrieben.

Schneiders Vorgänger, Präses Joachim Beckmann, führte auf dem Kirchentag von 1965 ein bedeutsames Gespräch mit Kardinal Lorenz Jäger. Zudem lud der damalige Kölner Kardinal Josef Frings die evangelischen Bischöfe und die Kirchentagsspitze zu einem Empfang. Frings' Bibelarbeit sei von so ausgeprägt ökumenischen Charakter gewesen, berichtet von Weizsäcker, dass sich "vor meinen Augen am Ende seiner Ansprache Konrad Adenauer und Martin Niemöller umarmten. Das muss man sich bitte vorstellen!"

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