Kirchengemeinden kämpfen am G8-Gipfel gegen Hunger und Armut

Beten für Heiligendamm

Rund zwei Wochen vor Heiligendamm häufen sich deutschlandweit die Protest- und Mahnaktionen zum G8-Gipfel. Besonders aktiv sind die beiden großen christlichen Kirchen. Vor allem rund um den mecklenburgischen Badeort machen die Gemeinden mobil. Kein Wunder, bei der besonderen Vergangenheit der Kirchen im Osten.

 (DR)

30.000 Kerzen: Mehr als ein symbolischer Akt
Das Doberaner Münster wird demnächst in einem ganz besonderen Licht erstrahlen. Am 3. Juni, dem Sonntag vor Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm, sollen im Gotteshaus 30 000 Kerzen angezündet werden. "Sie stehen für die gleiche Zahl von Kindern, die täglich auf der Welt an Hunger, verschmutztem Wasser und Krankheiten sterben", sagt Ralf Göttlicher von der Landeskirche Mecklenburgs.

Nur zehn Kilometer von dem Ort entfernt, an dem die Staatschefs der mächtigsten Nationen der Welt über Währungsfonds und Bruttosozialprodukt, über die Schulden der Entwicklungsländer und Verteilung von Ressourcen sprechen werden, soll die Aktion der Kirche mehr als ein symbolischer Akt sein.

"Wir sind gleichzeitig Rückzugsraum und Ort der Stille, bringen uns aber auch in die Diskussion ein", sagt Kersten Koepcke, Sprecher des Organisationsbüros Kirche und G8. Dazu gehöre keinesfalls der Protest am Zaun, denn die Kirche sei weder ein Gegner des G8-Gipfels noch der Globalisierung. "Wir verstehen uns ja selbst als Global Player." Die Themen des G8-Gipfels - Entwicklungshilfe, Klimaschutz, Energiepolitik, Globalisierung in Landwirtschaft und Arbeitsrecht - seien auch Diskussionsstoff in den Kirchgemeinden.

Besondere Vergangenheit der Kirchen
In 100 Kirchen rund um Heiligendamm sind während des Gipfels Veranstaltungen geplant, darunter Konzerte, Ausstellungen und Diskussionsrunden. In Rostock wird es während des dreitägigen Gipfels vom 6. bis 8. Juni eine durchgehende Gebetskette geben, die von Mitgliedern der Gemeinde gestaltet wird. Und auch aktiv bringen sich Kirchenleute in die Diskussion pro und kontra Globalisierung ein. "Viele Gemeindemitglieder sind beim Alternativgipfel dabei, auch als Referenten", sagt Koepcke.

Vor allem aber öffnen die Kirchen ihre Türen - für Gipfelkritiker und für Polizisten gleichermaßen. Kirche habe gerade im Osten eine besondere Vergangenheit, für viele sei sie auch eine Art von Schutzwall. So manch einer habe schon seine Besorgnis geäußert, in gewalttätige Konflikte hineingezogen zu werden. "Angst vor dem G8-Gipfel gibt es nicht, aber eine große Unsicherheit, die ist ja auch in der Öffentlichkeit zu spüren", sagt der Kirchensprecher.

Die Kirchenleitung habe angeboten, Pastoren als Notfallseelsorger zu schulen. Etwa 30 Teilnehmer haben die Weiterbildung in Anspruch genommen. "Wir haben jetzt in jeder Kirche rund um die Veranstaltungsorte in Rostock, Bad Doberan, Kühlungsborn und auch Laage jemanden, der in einer kritischen Situation deeskalierend wirken kann." Ein Angebot an die Polizei, bei Demonstrationen den Einsatz zu begleiten, werde es "definitiv nicht" geben. "Die Notfallseelsorger sind für die Kirchenmitglieder da, natürlich aber auch für traumatisierte Demonstranten."

In Köln parallel Kirchentag
Parallel zum G8-Einsatz der Kirchen findet in Köln der Kirchentag statt, der auch die Globalisierung zum Thema machen will. Die Brücke zwischen den Gotteshäusern schlägt die Aktion "Acht Minuten für Gerechtigkeit", bei der am 6. Juni ab 18.00 Uhr bundesweit die Glocken läuten werden. Eine andere Welt sei möglich, das werde in den Kirchen seit Menschengedenken gepredigt.

Neben dem hörbaren Protest durch die Kirchenglocken wird es zumindest in Norddeutschland auch ein sichtbares Signal geben, das von Bad Doberan ausgeht. Die 30 000 Kerzen werden nach dem Gottesdienst an 100 Kirchgemeinden im Norden verteilt und während der "Acht Minuten für Gerechtigkeit" erneut entzündet. So sollte sich auch die Idee einer besseren Welt wie bei einem Lauffeuer verbreiten, hoffen die Kirchenleute.