Kardinal Meisner kritisiert Ökumene-Konzept der Evangelischen Kirche

Ökumenische Arbeit "neu justieren"

Der Kölner Erzbischof Joachim Meisner hat eine neue Ausrichtung der ökumenischen Arbeit gefordert. "Wir müssen uns in der Ökumene neu justieren", sagte der Kardinal in einem epd-Gespräch in Köln. Darin kritisierte er indirekt das Konzept "Ökumene der Profile" des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber. "Wollen wir die eine Kirche haben oder sind wir darauf aus, unsere Konfessionen schärfer zu profilieren und diese dann als solche stehen zu lassen und zu akzeptieren?", fragte Meisner.

 (DR)

Der katholische Theologe sprach sich für eine stärkere "geistliche Ökumene" aus: "Je mehr wir bei Christus sind, desto näher sind wir beieinander." Vom 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag kommende Woche in Köln könnten Impulse dazu ausgehen. Bei evangelischen Kirchentagen seien immer Brücken geschlagen worden. Er hoffe, dass die Kirchen vor allem in den großen ethischen Fragen stärker als bisher mit einer Stimme sprechen könnten, sagte der Erzbischof. "Vielleicht auch in dem ganz wichtigen Thema Ehe und Familie."

Kein gemeinsames Abendmahl
Zugleich verteidigte er die Ablehnung eines gemeinsamen Abendmahls durch die katholische Amtskirche. Es gehe nicht um Sturheit oder eine "Marotte des Papstes", sondern um das Verständnis von Amt und Sakramenten, betonte Meisner. "Betroffen ist hier das Zentrum unseres Glaubens." In diesem Zusammenhang verlangte der Kardinal «Respekt vor der Überzeugung des Anderen".

Meisner äußerte die Hoffnung, dass die evangelischen Christen beim Kirchentag eine Vertiefung ihres Glaubens erfahren. Davon profitierten auch die katholischen Gläubigen. "Wenn hier tausende evangelische Christen von Jesus Christus Zeugnis geben, dann schwappt das auch auf uns über." Meisner ist auf dem Kirchentag unter anderem an einem ökumenischen Gottesdienst und einer gemeinsamen Bibelarbeit mit dem Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, beteiligt.

Auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, hatte in den vergangenen Tagen ein gemeinsames Abendmal in Köln abgelehnt.

Das Interview im Wortlaut
epd: Was bedeutet der Evangelische Kirchentag in Köln für die katholische Kirche?
Meisner: Wenn hier tausende evangelische Christen von Jesus Christus Zeugnis geben, dann schwappt das auch auf uns über. Denn wo es um Jesus Christus geht, da können wir uns nur herzlich mitfreuen. Ich bete darum, dass das Motto des Kirchentages wirklich zum Tragen kommt
- wobei ich, wenn ich mir das 600 Seiten starke Programm anschaue, ein wenig skeptisch bin, ob das Wesentliche da wirklich immer hervortritt.

epd: Sehen Sie die katholische Kirche auch als Gastgeber?
Meisner: Natürlich. - Das erste, womit man die Kirche in Köln identifiziert, ist der Dom. Ohne den geht es einfach nicht. Darum habe ich sofort gesagt: "Ich lade euch zum ökumenischen Gottesdienst in den Dom ein." Wie ich hörte, waren wohl die Verantwortlichen für den Kirchentag ein wenig erstaunt darüber, dass ich das sofort zugesagt habe und dass wir auch die anderen Kirchen zur Verfügung stellen.

Der Dom wird nicht nur am Freitagabend zum ökumenischen Gottesdienst geöffnet, sondern er wird auch sonst als Raum des Gebets für die Teilnehmer des Kirchentags offen sein. Und als drittes bitte ich die katholischen Gläubigen, dass sie ihre Türen und Herzen öffnen für die evangelischen Kirchentagsbesucher, denn: "Eure Freude ist unsere Freude, eure Sorgen sind unsere Sorgen."

epd: Wo sind Sie selbst beteiligt?
Meisner: Ich halte ein Grußwort bei der Eröffnung und feiere zusammen mit Präses Schneider und dem griechisch-orthodoxen Metropoliten Augoustinos den ökumenischen Gottesdienst im Dom. Außerdem gibt es eine Bibelarbeit zusammen mit dem Präses.
epd: Wie bewerten Sie den Stand der Ökumene im Rheinland?
Meisner: Wie bei allen Dingen auf Erden gibt es auch hier keinen Grund zu sagen, dass es nicht noch besser sein könnte. Das gilt jedoch nicht nur im Rheinland. Ich würde grundsätzlich sagen: Wir müssen uns in der Ökumene neu justieren. Stimmt die Richtung noch? Sind wir uns noch klar über das Ziel in der ökumenischen Arbeit?

Konkret heißt das: Wollen wir die eine Kirche haben oder sind wir darauf aus, unsere Konfessionen schärfer zu profilieren und diese dann als solche stehen zu lassen und zu akzeptieren? Das ist ein zentraler Unterschied.

Ich glaube darum, wir müssen wahrscheinlich eine stärkere geistliche Ökumene haben. Ich will es einmal vergleichen mit einem Wagenrad: Die Nabe ist Jesus Christus, der Reifen die Welt, und wie die Speichen sind wir Christen dazwischen ausgespannt. Es ist unsere Aufgabe, in dieser Spannung zu leben. Doch je näher die Speichen der Nabe sind, desto dichter kommen sie zusammen. Das heißt: Je mehr wir bei Christus sind, desto näher sind wir beieinander.

Damit wir in dieser Weise näher zusammenkommen, halte ich in der Ökumene den Respekt vor der Überzeugung des Anderen für absolut wichtig. Ich will ganz offen gestehen: Wir Katholiken fühlen uns gelegentlich wirklich verletzt, wenn in der Öffentlichkeit der Anschein erweckt wird, wir verhinderten aus Sturheit ein gemeinsames Abendmahl oder eine gemeinsame Eucharistiefeier. Es ist doch nicht so, als ginge es um eine Marotte des Papstes oder des Erzbischofs von Köln, sondern betroffen ist hier das Zentrum unseres Glaubens mit dem Verständnis des priesterlichen Amts und der Sakramente.

Wenn auf dieser Grundlage die eucharistische Tischgemeinschaft möglich wäre, dann wäre die Einheit da, dann bräuchten wir von Ökumene nicht mehr zu reden. Aber so einfach ist es eben nicht. Daher bin ich sehr froh, dass man das hier im Rheinland nicht dauernd zum Thema macht und dass wir die Dinge in den Blick nehmen, die wir gemeinsam tun können.

epd: Erwarten Sie, dass vom Kirchentag Impulse für eine geistliche Ökumene ausgehen können?
Meisner: Ja. Ich glaube, es sind bei evangelischen Kirchentagen immer Brücken geschlagen worden, und das wird auch jetzt sicher so sein.

epd: Katholische Besucher können also beim Abschlussgottesdienst nicht am Abendmahl teilnehmen. Wenn jemand das trotzdem tut, gäbe es Konsequenzen?
Meisner: Dazu müsste ich ja im Fall des Falles zunächst einmal wissen, wer der Betreffende ist. Dann würde ich mit ihm sprechen und ihn fragen, ob er sich über die Konsequenzen im Klaren ist. Denn es geht ja nicht darum, irgendwem zu drohen, sondern zu erklären, warum das, was manche vielleicht aus verständlichen menschlichen Motiven wünschen, aus tieferen Gründen nicht möglich ist. In dieser Hinsicht würde ich mir mehr Klarheit wünschen.

Der Grund ist, kurz gesagt, folgender: Es gibt bei uns keine Kommunion mit Christus ohne Kommunion mit der Kirche. Sie empfangen den Leib Christi, und nach katholischer Lehre ist der Leib Christi die Kirche, die im Papst ihren obersten Hirten hat. Das hieße: Wenn Sie als evangelischer Christ den Leib Christi in der Kommunion empfingen, wäre dies gleichbedeutend damit, katholisch zu werden. In dieser Weise wollen wir die evangelischen Schwestern und Brüder nicht vereinnahmen.

epd: Bei diesem Kirchentag werden auch viele Muslime beteiligt sein.
In Köln leben sehr viele Muslime, hier haben einige muslimische Verbände ihren Sitz. Wie sehen Sie die große Zahl der Muslime in dieser Stadt? Eher als Problem oder als Chance?
Meisner: Ich will wirklich nicht behaupten, dass es keine Probleme gibt, aber ich sehe durchaus auch Chancen. Nur um ein Beispiel zu geben: Ich würde mir wünschen, dass die Christen von den Muslimen wieder die Freude an großen Familien lernen, dass sie wieder vier bis fünf Kinder haben und dass die Familien mehr zusammenhalten.

epd: Gibt es einen Dialog zwischen katholischer Kirche und muslimischen Verbänden?
Meisner: Ja. Wir haben im Erzbistum für den Interreligiösen Dialog sogar ein eigenes Referat. Vieles geschieht auch auf der Ebene der Gemeinden, was ich sehr begrüße, solange es zu keiner Vermischung der religiösen Bekenntnisse kommt. Die Gegenseitigkeit im interreligiösen Verhältnis ist mir ist ebenfalls wichtig.

Wenn ich etwa zu dem Kölner Moscheebau gefragt werde, sage ich stets: Da bei uns Religionsfreiheit herrscht, haben die Muslime auch das Recht, eine Moschee zu bauen. Umgekehrt verlange ich aber sofort - und wir müssen dafür eintreten und das immer wieder tun -, dass in islamischen Ländern es den Christen erlaubt wird, Kirchen zu bauen.

epd: Was sind ihre persönlichen Erwartungen an den Kirchentag?
Meisner: Dass evangelische Christen eine Vertiefung ihres Glaubens erfahren, die sich auswirkt im gesellschaftlichen Leben. Dass wir stärker als bisher mit einer Stimme sprechen können in den großen ethischen Fragen und allem, was damit zusammenhängt, und vielleicht auch in dem ganz wichtigen Thema Ehe und Familie. Dass man hierbei auf evangelischer Seite Matthäus 5,37 beherzigt: "Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein; alles andere ist vom Bösen." Sehen Sie, es geht mir immer um die Eindeutigkeit. Sonst verdunkeln wir das Christentum.