Kardinal Meisner erwartet vom Kirchentag Impulse für die Ökumene

"Ich hoffe auf Ermutigung"

Rund 100.000 Protestanten werden zum 31. Deutschen Evangelischen Kirchentag vom 6. bis 10. Juni in Köln erwartet. Ein Schwerpunkt soll das Thema Ökumene werden. Wie Kardinal Joachim Meisner die Idee findet, das evangelische Treffen im mehrheitlich katholischen Köln abzuhalten und welche Impulse er sich davon erhofft, sagte er am Montag in Köln im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

 (DR)

KNA: Herr Kardinal, beim Kirchentag feiern Sie mit Präses Schneider einen ökumenischen Gottesdienst im Dom - eine Besonderheit oder längst selbstverständlich?

Meisner: Ich habe mit dem Präses ein so gutes ökumenisches Miteinander, dass wir jährlich zwei Vespern feiern, eine vor dem ersten Advent in einer katholischen Kirche, eine vor dem ersten Fastensonntag in einer evangelischen Kirche. Als ich hörte, dass der evangelische Kirchentag in der Domstadt Köln stattfindet, habe ich sofort den Präses zum ökumenischen Gottesdienst in das Herz der Stadt, den Dom, eingeladen. Darüber hat er sich sehr gefreut. Auch die orthodoxe Kirche wird dabei sein. Ich werde außerdem die Teilnehmer schon mittwochs bei der Eröffnung begrüßen, obwohl ich dann einen anderen wichtigen Termin gehabt hätte. Darüber hinaus führen der Präses und ich eine gemeinsame Bibelarbeit beim Kirchentag durch.

KNA: Wie finden Sie die Idee, einen evangelischen Kirchentag im "katholischen Köln" abzuhalten?

Meisner: Ich finde die Idee gut und hoffe, dass auch viel von uns dabei herüberkommt: von unserer Frömmigkeit und vom Schwung, der in Köln noch vom Weltjugendtag 2005 nachwirkt. An dem Donnerstag während des Kirchentags feiern wir Katholiken zudem Fronleichnam.
Da wird sich die ganze katholische Festlichkeit in der Öffentlichkeit zeigen, und es wäre schön, wenn auch das ein Impuls für die Kirchentagsteilnehmer wäre. Ich erhoffe mir auch vom Christuszeugnis der evangelischen Christen Ermutigung für uns.

KNA: Ist es kein Problem, dass der Kirchentag in katholische Kirchen ausweicht?

Meisner: Nein, ich habe sofort gesagt, wir helfen, so gut wir können. Es geht dabei und zuerst um Jesus Christus. Ich bete seit Monaten dafür, dass der Kirchentag gelingen wird. Das ist mein persönliches Anliegen.

KNA: Rheinische Katholiken und Protestanten haben viel Übung im Umgang miteinander. Kann das in der Ökumene weiterhelfen?

Meisner: Ob evangelische Christen im Rheinland im Vergleich zu anderen Gegenden eine besondere Affinität zur Ökumene haben, kann ich nicht beurteilen. Der Kirchentag wird aber vielen Menschen zeigen, dass wir uns gegenseitig helfen und zusammenarbeiten. In der säkularen Welt muss es gelingen, dass Christen Freude und Sorge miteinander teilen und so ein Zeichen setzen.

KNA: Kirchentagspräsident Höppner sieht zu viel Fundamentalismus im ökumenischen Gespräch auf höherer Ebene. Hat er Recht?

Meisner: Ich wäre sehr vorsichtig mit dem Wort Fundamentalismus.
Das ist heute ein Schlagwort, mit dem man den anderen schnell in die Ecke stellt. Das sollte ein Christ mit seinesgleichen nicht tun. Für mich ist das keine Diskussionsbasis.

KNA: Das gemeinsame Abendmahl wird beim Kirchentag eine Rolle spielen. Die Veranstalter haben auch Katholiken eingeladen...

Meisner: Ökumene lebt von der Ehrfurcht vor der Überzeugung anderer. Ob wir gegenseitig zum Abendmahl oder zur Eucharistie gehen, halte ich für keine Frage, die die Menschheit außerhalb unserer Kreise stark bewegt. Diese wartet auf unser festes Zeugnis in den Fragen, die die Welt als ganze angehen, etwa für die lebensbewahrenden Werte in der Bioethik. Das sollte eine Botschaft des Kirchentags sein. Im Übrigen muss ich schlicht sagen, was diesbezüglich schon so oft gesagt wurde: Die eucharistische Kommunion mit Christus verlangt nach der Communio mit der Kirche. Und die Kirche ist keine nebulöse Größe, sondern die Gemeinschaft derer, die im jeweiligen Papst ihren obersten Hirten haben. Deshalb können wir weder dazu einladen noch am evangelischen Abendmahl teilnehmen. Das muss man ehrlich akzeptieren, wenn wir ehrlich Ökumene leben wollen.

KNA: Worüber sprechen Sie mit dem Präses bei der Bibelarbeit?

Meisner: Wir haben einen vorgelegten Text, einen Jeremia-Text.
Der ist sehr spannend. Aber was wir beide sagen werden, verrate ich noch nicht.

KNA: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten: Was sollte während des Kirchentags passieren, um die Ökumene voranzubringen?

Meisner: Erstens: Es möge uns allen aufgehen, dass Ökumene nicht zu machen ist, sondern ein Geschenk darstellt, um das wir gemeinsam bitten müssen. Und zweitens: dass wir die Nähe Christi noch mehr suchen. Je näher wir alle bei Christus sind, desto größer die Nähe der Christen zueinander.

Interview: Viola van Melis (KNA)