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Alles neu macht der Mai

Die Wiesen, die Bäume, die Wege. Alles strahlt so grün, dass die Welt wirklich wieder wie neu aussieht. Ich staune über die Mai-neue Welt.

Alles neu macht der Mai am Niederrhein / © Ralf Liebhold (shutterstock)
Alles neu macht der Mai am Niederrhein / © Ralf Liebhold ( shutterstock )

Und erinnere mich, dass ich als Kind schon eine Ahnung hatte vom Mai, der alles neu macht. Wie an einem Maisonntag. Es war noch früh, die Sonne aber schien warm. Endlich atmeten meine Beine Luft, denn das Thermometer hatte grünes Licht für Kniestrümpfe gegeben.

Viele Jahre später allerdings habe ich mich von der Kraft des Mais in eine Falle locken lassen.

Mein Mann war versetzt worden, die neue Stelle war weit über 100 km entfernt. Eine Weile ist er gependelt, auch weil wir damals in einem zwar alten Haus, aber mit wirklich traumhaftem Fernblick wohnten. Gleich aus welchem Fenster ich schaute, immer weitete sich mein Geist, immer atmete ich bewusst oder unbewusst auf.

Aber dann wurde mein Mann immer häufiger krank. Wir waren gerade Eltern geworden. Mich hat es damals zerrissen, das erste Mal in meinem Leben war ich wirklich glücklich an einem Ort. Aber nun, die Gesundheit meines Mannes musste natürlich mehr ins Gewicht fallen.

Die Lage der neuen Stelle meines Mannes am Niederrhein gilt in der Immobilienwelt als Hinterland von Düsseldorf. Etwas Gleichwertiges konnten wir uns damit einfach nicht leisten, an ein Haus mit Ausblick war nicht zu denken.

Das Baby war unterdessen ein sehr agiles Kleinkind geworden. Von Wohnungsbesichtigungen erinnere ich deswegen vor allem Steckdosen und Fußleisten.

Dann wurde es Mai. Eine neue Besichtigung. Die Zierkirsche im Garten blühte, die Bäume am Spielplatz hinter dem Haus hatten schon ausgeschlagen und rund um den Ort glänzten lauter Niederrhein-grün saftige Weiden.

Heute bin ich sicher, wir haben nur zugesagt, weil Mai war.

Ich wusste noch nichts von trüben Niederrheinherbsten, die nahtlos in matschige Niederrheinwinter übergehen, gefolgt von Mai-kurzen Niederrheinfrühlingen und sehr nassen Niederrheinsommern. Tja.

Ich grollte dem Mai, als er wiederkam. Wie hatte er mich an so einen trüben Ort locken können? Ich grollte dem Mai jedes Jahr neu.

Im Corona-Mai im vergangenen Jahr, in dem ich so viel zu Hause war wie noch nie, meldete sich mein Herz, befand, es sei Zeit für eine Entscheidung. Ich verstand und entschied: Selbst wenn das Heimweh für immer bleibt, hier ist meine Heimat.

Alles neu macht der Mai. In diesem Mai schaue ich meine Welt freundlicher an. Vielleicht treibe ich ja doch zarte Wurzeln.