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Wir müssen nicht alles alleine machen. Eine Pfingstgeschichte

„Kann gerade nicht. Ich bin in einer Online-Schulung zu Deinem Buch. Willst Du mit dazu kommen?“ fragt mich eine junge Lehrerin am Telefon.

Eine unverhoffte Onlinepremiere / © privat (ak)
Eine unverhoffte Onlinepremiere / © privat ( ak )

„Klar“, sage ich und verstehe erst mal nichts.   

Aber der Reihe nach.

Genauso plötzlich wie Corona vor über einem Jahr ausbrach, wurden alle geplanten Lesungen zu meinen Büchern abgesagt.

Besonders schmerzlich war das im Fall meines Jugendbuches „Spiel mir das Lied vom Leben“. In dem ich die Geschichte des letzten Überlebenden von Schindlers Liste in Deutschland erzähle.

Das traf fast alle Lesungen.

Und auch eine ganz besondere Veranstaltung. Denn nachdem ein Oberstufenreligionskurs vor Corona an einer Lesung zu „Spiel mir das Lied vom Leben“ teilgenommen hatte, wollten die Schüler und Schülerinnen die Geschichte von Jerzy, dem überlebenden Schindlerjuden, selber bekannt machen.

Sie entwickelten Arbeitsblätter und Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer. Im vergangenen März sollten wir einen gemeinsamen Termin in einem Berufskolleg haben.  

Ich war so glücklich! Junge Menschen an meiner Seite, die Jerzys Geschichte weitererzählen, das war wie ein großes Geschenk.

Eines, das Corona einkassierte. Das tat weh.

Schmerzlich war auch, dass ich ohne Lesungen nichts für das Buch tun konnte. Wird das Buch aber nicht gekauft, nimmt der Verlag es vom Markt, stirbt das Herz der Geschichte. So ein Verlag will Zahlen sehen. Und die konnte ich nicht liefern.

Onlinelesungen wären eine Lösung gewesen. Aber da ich schon meine ganze andere Arbeit digitalisierte, schaffte ich das nicht auch noch. Und die Schulen hatten eh andere Sorgen.

Um Weihnachten herum zog ich Bilanz, dachte: Das war's. Dieses Projekt wird Corona zum Opfer fallen.

Aber kurz vor Pfingsten bekam ich eine E-Mail jener Religionslehrerin, deren Oberstufenkurs so aktiv geworden war: „Weißt Du eigentlich, was alles passiert ist? Ruf doch mal an“, schrieb sie.

Als ich anrief, war sie gerade in besagter Online-Fortbildung für angehende Lehrer und Lehrerinnen in evangelischer Religion zu meinem Buch, organisiert von ihrem ehemaligen Religionskurs.

Die jungen Leute aus dem Religionskurs hatten die ganze Zeit weitergemacht! 

Nachdem ich der Videokonferenz zugeschaltet bin, sitze ich still vor meinem Bildschirm, schaue in die WG-Zimmer und WG-Küchen der teilnehmenden Studierenden.

Ich staune über ihr Engagement – und über meine Kleinmütigkeit staune ich auch.

Als ob immer alles nur an mir hinge!

Als mich die Studierenden am Ende spontan baten, Ihnen aus dem Buch vorzulesen, improvisiere ich meine erste Onlinelesung und der Pfingstgeist wehte jedem und jeder eine Gänsehaut ins Haus.