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Wir müssen es nur wagen

Leuchtend gelber Mantel, riesiger, roter Haarreifen, strahlend schöne junge Dichterin. Amanda Gorman hat bei der Einführung von Präsident Joe Biden ihre Worte an die ganze Welt gerichtet.

Amanda Gorman / © mccv (shutterstock)

Ich gestehe, eigentlich will ich den Liveblog zur Präsidenteneinführung nur neben der Arbeit lesen. Aber dann kann ich nicht widerstehen und schaue die ganze Zeremonie.

Nach all den Tagen bangen Wartens auf das Wahlergebnis, nach all den Wochen, in denen Trump seine Lügen so lange wiederholte bis 80 % der Republikaner am Ende die Wahl für gestohlen hielten und nach den Toten und dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar, will ich mit eigenen Augen sehen, dass Joe Biden jetzt auch wirklich Präsident wird.

Froh und abgrundtief erleichtert verfolge ich, dass zwei Wochen nach dem Sturm auf das Kapitol die Vernunft und nicht die Gewalt siegt.

Vollends gebannt aber bin ich, als Amanda Gorman auftritt. Eine noch ganz junge und doch schon oft ausgezeichnete afroamerikanische Dichterin. Nicht nur, dass durch sie das Bild neben den weißen Männern, aber auch vielen People of Color, noch bunter und diverser wird.

Nein, hier darf eine junge Frau die Kraft der Worte, gar die Kraft von Gedichten beweisen. Anmutig und melodisch trägt sie ihre Lyrik vor, ihre Hände untermalen ihre Worte wie in einer eigenen Choreographie. Fast sieht es wie ein Tanz aus.

Auch Trump hat die Kraft der Worte genutzt. Aber er hat die Worte, vom ersten Tag an, nur benutzt.  Wahrheiten, die ihm nicht passten, wie die Bilder seiner eigenen Einführung, nannte er fake. Gefälscht.

Trump hat die ganze Welt daran erinnert, dass, wer Lügen sät, buchstäblichen Sturm erntet.

Dagegen erinnert Amanda Gorman die Welt an die positive Kraft der Worte, die Menschen ermutigt und aufrichtet.

Die 22-Jährige weiß ihre Worte zu wählen. Sie benennt die Gefahr, in der die USA geschwebt haben. „Wir haben eine Kraft gesehen, die unsere Nation erschüttert (…) und diese Anstrengung hätte beinahe Erfolg gehabt.“

Amanda Gorman, die von sich selbst als einem dünnen, schwarzen Mädchen spricht, dass von Sklaven abstamme und bei einer alleinerziehenden Mutter aufwuchs, weiß aber auch, wie die USA der Gefahr von Gewalt und Dunkelheit entrinnen.

Ihr Gedicht endet mit:

Es gibt immer Licht, wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen, wenn wir nur mutig genug sind, es zu sein.