Wer gastfreundlich sein will, muss Platz schaffen

Zimmer in Kreuzberg

Ein Zimmer in Berlin Kreuzberg. Altbau. Hohe Decken. Das Zimmer ist bis in den letzten Winkel genutzt. Acht Betten stehen hier. Mal hoch, mal tief gebaut. Über oder um Schränke herum, wie Abteile. Die hohen Decken erlauben auch den Obenschlafenden Luft zum atmen. Ich stehe im Schlafzimmer des Jesuiten Christian Herwartz.

Christian Herwartz / © Angela Krumpen
Christian Herwartz / © Angela Krumpen

Für eine Sendung Menschen im domradio mit Christian Herwartz bin ich nach Berlin gereist. Seit fast 40 Jahren lebt er hier. Als Arbeiterpriester hat er viele Jahre als Dreher bei Siemens gearbeitet und zusammen mit zwei Mitbrüdern eine Kommunität mitten in Kreuzberg gegründet. Irgendwann kam jemand vorbei, der brauchte einen Platz zum schlafen.  Da haben die Brüder eine Matratze besorgt. Irgendwann die zweite, irgendwann die dritte.

Irgendwann eine zweite, irgendwann eine dritte Wohnung im Haus dazugemietet.

Es gibt nicht viele Regeln hier. Aber eine wird eisern eingehalten: Wenn die Türklingel läutet, wird aufgemacht. Und zwar ohne vorher zu fragen, wer da steht. Willkommen ist, wer kommen will. So einfach ist das.

Oder so schwer. Weil, wenn man das ernst meint, und Christian Herwartz meint es ernst, kann man in die schwierigsten Situationen gelangen. Menschen können von der Polizei gesucht werden. Oder in die Entführung des eigenen Kindes verstrickt sein. Oder gleich ganz illegal sein.

Als Christian Herwartz ein kleiner Junge war, wollte er in die Mission. Weil er in ferne Länder reisen wollte. Aber auch, weil die Missionare es so ernst meinten, dass etliche von ihnen ihr Leben riskierten.  Es auf jeden Fall aber einsetzen. Das wollte er auch.

Er entschied, sein Leben mit den Menschen, die im Dunkeln leben, zu verbringen. Auf der Straße, auf der Flucht, auf Droge. Egal.

So ist Christian Herwartz, der als Ältester in einer großen Kinderschar aufwuchs, zu einer neuen großen Familie gekommen. Bis zu 40 Menschen leben hier. In seinem Schlafzimmer haben Menschen aus mehr als 70 Nationen übernachtet.

Hat er denn nie Ruhe vermisst, will ich wissen, als wir uns aus dem Zimmer, in dem Menschen gerade schlafen,  zurückziehen, Nein, als Kinder hätten sie auch in einem Zimmer geschlafen. Reine Gewöhnung sei das.

Den schönsten Satz aber sagt Christian Herwartz, während er  leise die Tür schließt: "Wer gastfreundlich sein will, muss Platz schaffen."

Ich schlucke. Was für ein Bild für die erste Weihnachtszeit, in dem so viele Menschen in Europa Schutz und Obdach suchen.

Unsere Gastfreundschaft brauchen.