Waldbaden

Die grüne Badewanne

Jella läuft voran. Sie kennt den Weg, den ich mit ihr gehe, wenn keiner außer mir im Haus ist und ich nicht viel Zeit habe. Dann gehen wir einmal bis zum Wäldchen und zurück.

Kiefernwald / © Patrick Pleul (dpa)
Kiefernwald / © Patrick Pleul ( dpa )

Das Wäldchen ist wirklich ein  Miniwäldchen. Keine fünf Minuten und man ist durch. Aber so gerne ich durch die Felder, durch Wind und Sonne laufe, ins Wäldchen zieht es mich auch.

Heute bin ich müde. Sehr müde. Die letzten Wochen waren anstrengend. Die Großen, die ausgezogen sind und ihre Wege ins Leben nehmen. Der Jüngste, der die neue, ungeteilte Aufmerksamkeit erst liebte. Um dann festzustellen, dass Aufmerksamkeit auch bedeutet, dass ich Dinge mitbekomme, die er lieber vor mir verbirgt. Wir alle müssen uns neu einstellen, das ist manchmal mühsam.

Im Wäldchen merke ich die Anstrengung der letzten Wochen. Setze mich, gegen einen Baum gelehnt, auf den Waldboden. Die Arbeit auf meinem Schreibtisch wird mir schon nicht weglaufen.

Während ich so dasitze, von Jella beäugt, fällt mir ein Wort ein, das ich vor kurzem im Autoradio aufgeschnappt habe. „Waldbaden“ hieß es. Drum herum ging es, wie so oft in den letzten Monaten um den Wald. Und seine Heilkraft für Menschen.

Wie es in den letzten Monaten gefühlt andauernd irgendwo um den Wald ging: die Bestseller von Peter Wohlleben,  Das Geheime Leben der Bäume z.B.  Und wie immer, wenn ein Autor einen Nerv der Zeit trifft, bekommt das Buch augenblicklich Ableger. Auf der Buchmesse wimmelte es von Waldbüchern.

Was Waldbaden genau ist werde ich später Dr. Google fragen. Und lernen, dass das japanische Ministerium für Land-, Forstwirtschaft und Fischerei sich 1982 den Begriff  Shinrin-Yoku ausgedacht hat, was baden in der Waldluft bedeutet. Ich lerne auch, dass Shinrin -Yoku in Japan und Südkorea ein fester Bestandteil der Gesundheitsfürsorge geworden ist.

Seltsam, denke ich, Anfang der 80er ging es bei uns vor allem um eines: zu verhindern, dass der Wald stirbt.  Wir haben hier gegen sauren Regen gekämpft - und am anderen Ende der Welt die Japaner das Waldbaden eingeführt. Ob die Japaner, jetzt, wo das Waldbaden nach hier kommt, wohl gegen sauren Regen kämpfen, frage ich mich. Aber erst später, als ich all das im Internet nachschlage.

Einstweilen bleibe ich noch ein bisschen im Wäldchen sitzen. Ob das Waldbaden ist, weiß ich nicht. aber als ich endlich aufstehe und Jella mit nach Hause nehme, habe ich mich ein bisschen erholt