Wahrheit und Liebe werden siegen. Immer.

Zum Tag der deutschen Einheit

Es hat gedauert. Bis ich damals, am Abend des 9. Novembers 1989, verstand, wirklich geschah.

Berliner Mauer / © DB (dpa)
Berliner Mauer / © DB ( dpa )

Es hat gedauert, bis ich verstanden habe, dass das der Anfang vom Ende der DDR, der Teilung Deutschlands, der Mauer in Berlin war.

Jener Mauer, vor der ich während der Klassenfahrt im zehnten Schuljahr stand. Mein Herz fror, als ich die Stufen zur Aussichtsplattform hochkletterte. Auf die Wachtürme, den Stacheldraht und die Selbstschutzanlagen blickte. Mir bewusst wurde, wie privilegiert ich doch war.

Schließlich waren meine Eltern nach dem Krieg als Kinder nur knapp vor der russischen Armee ins Rheinland geflohen. Ich wusste damals - ohne diese Flucht würde ich jetzt irgendwo in der Nähe von Jena, von wo meine Eltern geflohen waren, in einer polytechnischen Oberschule sitzen. Und weder meine Begabung noch mein Fleiß, sondern allein die Parteiräson würde entscheiden, ob und was ich studieren dürfte.

Wie ungerecht. Ich fühlte, wie geradezu unverschämt frei ich war!

Niemals nicht konnte ich mir mit 15 Jahren vor der Mauer vorstellen, dass ich 15 Jahre später kleine Kinder fotografieren würde. Die einfach durch Löcher in der Mauer kletterten.

Und auch mein Mann, der sich nachts, als Student an die Mauer gewagt hatte, hätte sich  niemals nicht diese Bilder vorstellen können. Seine Kommilitonen bangten, riefen verzweifelt: "Hör auf. Lass das", als er in die verbotene Zone kletterte, um ein Stückchen Mauer herauszuklopfen, es Jahrzehnte aufzubewahren und es Ende der 90er Jahre als Gastgeschenk dem Dalai Lama zu überreichen. Mit den Worten "Wenn die Mauer hat fallen können, wird Tibet irgendwann wieder frei sein."

Heute feiern wir, dass sich die Bundesrepublik und die DDR wiedervereinigen konnten. Friedlich. Ohne Gewalt, ohne Gewehre, ohne Tote. Wie wunderbar – ein echtes Wunder!

Vielleicht aber bin ich einfach nur zu kleingläubig.

Beherzige zu wenig, was Mahatma Gandhi sagte: "Wenn ich verzweifelt bin, erinnere ich mich dran, dass in der Menschheitsgeschichte die Wahrheit und die Liebe immer gewonnen haben. Es gab Mörder und Tyrannen und für eine gewisse Zeit schienen sie unbesiegbar. Aber am Schluss fallen sie immer. Denke daran, immer!"

Ich will es versuchen. Daran zu denken. Immer. Heute am 3. Oktober fällt er mir leicht.