Wählen!

Wählen dürfen. Wählen können.

Im Mai war Landtagswahl in NRW. Mit der Großen gehe ich vom Wahllokal in der Grundschule noch zum Eiscafé auf dem Marktplatz. Neben mir sagt ein junger Mann: "Ne, ich gehe nicht wählen."

Stimmzettel für Bundestagswahl / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Stimmzettel für Bundestagswahl / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

In der WunderBar schaue ich gerne wunderbare Dinge an: Wählen können. Wählen dürfen - was für eine Errungenschaft. Ein Privileg, ein Geschenk. Eines, das mir wirklich, wirklich kostbar ist.

Vielleicht liegt das daran, dass ich im Geschichtsstudium gelernt habe, wie hart meine Vorfahren sich dieses Recht erkämpfen mussten. Oder daran, dass so viele Menschen in der Welt selbst ihr Leben riskieren, um wählen zu können oder Diktaturen zu stürzen. Ich weiß es nicht.

Aber ich weiß, dass ich die Art und Weise, wie in diesem Land oft über unsere Demokratie und ihre Politiker, unsere Verbündeten, gesprochen wird, furchtbar finde. Oder tragisch.

Mir ist klar, dass vieles besser laufen könnte: in Schulen und Kindergärten. In Krankenhäusern und Altenheimen. Bei der Benachteiligung von Bus und Regionalbahnen. Bei den ausgebluteten Kommunen. Den zu kleinen Renten nach Jahrzehnten harter Arbeit. Bei der Besteuerung besonders reicher Menschen oder den Steueroasen internationaler Konzerne. Bei Familienzusammenführung von Kriegsflüchtlingen. Und bei der –immernochdieLuftverschmutzende - Braunkohle. Ja, ich kann aus dem Stand sehr, sehr viele Dinge aufzählen, die unfair und ungerecht, unökologisch und unmenschlich sind.

Aber so ist das Leben, so ist  Demokratie. Wir Menschen sind kompliziert. Und die Welt ist komplex. Weil Einzelinteressen gegen das Gemeinwohl, nationale gegen internationale Bedürfnisse abgewogen werden müssen und weil nur manche Politiker wunderbar sind - und andere eine Vollkatastrophe.

Kompliziert hin, komplex her - es ist unser Leben und unsere Welt. Politikerbashing aus Angst vor der Globalisierung, dem Klimawandel, dem IS oder der Zukunft unserer Kinder – das alles ist verständlich. Nur: es hilft nicht.

Was hilft ist: sich eine Meinung machen. Was ist mir wichtig?. Und was kann ich dafür tun?

1969 haben 86,7 Prozent der Wahlberechtigen gewählt. 2009 waren es nur noch 70,8.

"Warum wählen Sie denn nicht", frage ich den jungen Mann am Nebentisch. Wahlbenachrichtigung vergessen, Ausweis noch bei der Exfreundin, nein, diese Landtagswahl findet wohl ohne ihn statt. Es wird dennoch ein nettes Gespräch über seine Sorgen als junger Selbständiger und wohin er sie politisch tragen könnte.

61, 5 Millionen Deutsche dürfen heute wählen. Weil wir - anders als gefühlt die Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten - wunderbarerweise heute eine echte Wahl haben.

Nutzen wir sie.