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Von Ruach und Atem. Und was Corona in Indien mit Pfingsten zu tun hat

Ein Inder sitzt auf dem Gehweg. Seine Augen blicken leer. Links neben ihm eine Sauerstoffflasche, rechts eine Plastiktüte aus dem Supermarkt. Es ist das letzte Foto vor seinem Tod.

Die Corona-Lage in Indien ist dramatisch / © Str. (dpa)
Die Corona-Lage in Indien ist dramatisch / © Str. ( dpa )

Manchmal sehe ich etwas und es fällt mir direkt ins Herz. Das letzte Foto dieses indischen Mannes fällt mir direkt ins Herz.

Das Foto finde ich in der Tageszeitung „taz“. Es illustriert ein eindrucksvolles und verzweifeltes Porträt eines Onkels durch seinen Neffen.

Fufa nennt der Neffe seinen Onkel. Der Neffe erzählt anrührend, wie der Onkel in seiner Kindheit für ihn da war. Und er erzählt bewundernd, wie eigenständig der Onkel sein Leben nach eigenen Vorstellungen lebte. Dass der Onkel auf Geld und Prestige verzichtete, um als überzeugter Marxist, Journalist und Fotograf für seine Ideen einzustehen.

Der Neffe schreibt: „Ich weiß nicht, ob mein Onkel hätte gerettet werden können. Aber ich weiß, dass nicht genug getan wurde, um ihn zu retten.“ Er berichtet, wie der Onkel umherirrte, in Kliniken abgewiesen wurde, Stunden ohne Sauerstoff blieb. Der Neffe will nicht anklagen, er trauert um seinen Onkel und resümiert: „Ich bin mir sicher, dass nichts an diesem Fall ungewöhnlich ist.“

Mit Onkel Fufa bekommen die vielen Coronatoten, bekommt das unfassbare Coronaleid in Indien ein Gesicht für mich.

Corona nimmt Fufa die Luft zum Atmen. Aufs Atmen kann kein einziger von uns acht Milliarden Menschen verzichten.

Das Hebräische Wort Ruach bedeutet Wind. Oder Hauch. Oder Atem.

Oder Geist.  

An die Verbindung von Atem und Geist muss ich zu Pfingsten denken, als ich das Foto des auf dem Gehweg sterbenden Fufa betrachte.

Ruach, schreibt Wikipedia weiter, bedeute aber auch geistigen Zustand, Haltung.

Anders als auf Atem können wir auf eine Haltung scheinbar verzichten. Ohne Haltung zu sein, führt ja nicht zum Tod. Jedenfalls nicht unmittelbar.

Mittelbar aber hilft nur die Einsicht, dass wir in der einen Welt nur die eine Luft zum atmen haben. Und wenn wir unser altes Vor-Corona-Leben mit allen Rechten und Reisen in dieser einen globalen Welt zurückgewinnen wollen, hilft nur die Einsicht, dass alle Menschen auf der ganzen Welt vor Corona geschützt werden müssen.  

Vielleicht verhilft uns der Pfingstgeist zu dieser Einsicht, vielleicht hilft Fufa mit seinen einsamen, atemlosen, schrecklichen letzten Stunden dabei.

Dann hätte Fufa, der Idealist, uns einen letzten, großen Dienst erwiesen.