oder: wie engagierte Lehrer an einem neuen Europa bauten

Von leuchtendem Sternenstaub

Zwei Hügel, zwei Flüsse, mehr als zwei Millionen Menschen. Die Metropolregion Lyon ist die drittgrößte Stadt in Frankreich. Und meine zweite Heimat.

Lyon  / © Angela Krumpen (ak)
Lyon / © Angela Krumpen ( ak )

Meine glühenden 68er Lehrer hatten eine Mission. Sie wollten: nie wieder Krieg und ein friedliches Europa. Dazu brauchten sie uns, die Kinder. Wir sollten Sprachen können, die Welt und Gleichaltrige kennenlernen. Für eine Erbfeindschaft mit Frankreich war da kein Platz mehr.

So kam es, dass ich mit elf Jahren zum ersten Mal mit meiner französischen Brieffreundin auf den Hügeln über Rhône und Saône stand und ins weite Tal schaute. Aus dieser Brieffreundschaft wurde eine Freundschaft, aus der Familie meiner Brieffreundin meine französische Familie und aus Lyon eine zweite Heimat.

Die mir ein bisschen verloren ging, als ich meinen Mann kennenlernte. Er spricht kein Wort Französisch, nach Frankreich zog es ihn nicht. Das verstand ich. Irgendwann aber wollte ich ihm meine französische Heimat zeigen,  schenkte ihm zum runden Geburtstag eine Reise in meine Vergangenheit und meine französische Freundin fügte die beste aller Stadtführungen dazu.

So stehen wir im Spätsommer zu dritt in der Abendsonne, schauen über das weite Rhône Tal. Tauchen ab in die Geschichte, als die Römer diesen zauberhaften Flecken Erde bevölkerten. Laufen durch die kühlen hohen Renaissancehäuser, die in der  heute von der UNESCO als Weltkulturerbe geschützten Altstadt gebaut wurden.

Erleben auch meine Geschichte: laufen unseren Schulweg, suchen mein Studentenwohnheim und stehen vor meiner altehrwürdigen Uni.

Reisen schließlich in die Zukunft: direkt am Wasser, am Zusammenfluss von Rhône und Saône, ist ein ganz neues Museum entstanden. Das futuristische Gebäude erinnert außen an Wellen und Wolken. Und innen an unsere Herkunft.

Erzählt von Leben und Tod, der Menschheitsgeschichte und dem Urknall. Und davon, dass wir alle aus Sternenstaub bestehen.

Nach den abgedunkelten Museumsräumen funkelt die pralle Sonne Südfrankreichs unter tiefblauem Himmel umso heller auf den Flüssen. Vor meinem inneren Auge erscheint die Flagge Europas, himmelblau und voller Sterne.

Dankbar fallen mir unsere von einem friedlichen Europa so beseelten 68er Lehrer ein. Nehmen wir mal an, die Wissenschaftler haben  Recht, und wir bestehen wirklich alle zu 97% aus Sternenstaub. Dann haben unsere Lehrer ihren Sternenstaub mit ihrer geglückten Friedensmission hell leuchten lassen.

Wer weiß, vielleicht ist es ja der Widerschein ihres Sternenstaubes, der da so wunderbar auf den Flüssen vor mir funkelt.