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Von Glück und Glückchen

Ich weiß, Glück ist ein großes Wort. Glückchen gibt es zum Glück öfter.

Von Glück und Glückchen / © Angela Krumpen  (ak)
Von Glück und Glückchen / © Angela Krumpen ( ak )

Ein Glückchen ist zum Beispiel der erste Tee frühmorgens im äußersten Winkel des Gartens, dem einzigen Ort, in den so früh die Sonne scheint.

Oder der kurze, glücksstolze Blick in den Kühlschrank auf die farbenfrohe Ausbeute vom Vorratskochen mit eingelegten Möhren, grünem Basilikumpesto und roter Tomatensoße.

Ein Glückchen ist auch der große Brief einer Freundin, der mittags durch den Briefschlitz purzelt. Darin ein kleiner Traumfänger. Bunte Perlen und der selbstgemalte Spruch: Freude ist das Konfetti des Lebens.

Ich bin gerührt. Vor allem aber, weil ich weiß, dass so eine filigrane Handarbeit ein Kraftakt für die schlaganfallgequälte Freundin ist.

Drei Glückchen. An einem Tag.

Meine Glückchen fädele ich gerade so auf, wie ich als kleines Mädchen Anhänger für mein Glücksarmband gesammelt habe. Denn natürlich entkomme auch ich nicht den Sorgen. Ich sorge mich, dass meine Liebsten erkranken. Und ich sorge mich, dass was die Coronamaßnahmen, damit sie nicht krankwerden, für ihr Leben bedeuten.

Da ist der eine Student. Der sitzt in Paris und wenn der Unterricht aus ist, ist Ausgangssperre. Seit Monaten. Praktika, wie sie jetzt eigentlich im Lehrplan vorgesehen sind, gibt es schlicht nicht. Und falls doch: als Onlinepraktikum im Homeoffice. Na toll.

Der anderen sind als Musikstudentin ist fast ihr ganzes Studium untersagt, kein Ensemblespiel, kein Chor, keine Orchesterarbeit. Die dritte konnte schon nicht ihr Stipendium in Asien antreten. Und jetzt wie geplant reisen, um den passenden nächsten Schritt für ihr Leben zu finden, geht natürlich auch nicht.

Der Jüngste schließlich hat im ersten Lehrjahr so gut wie keine Berufsschule. Die letzte Klausur hat er im Oktober geschrieben. Woher soll er wissen, ob er genug lernt, um die Prüfung zu bestehen?

Schon lange glaube ich nicht mehr an das Licht am Ende des Tunnels. Schon lange glaube ich, dass wir lernen müssen, mit der Pandemie zu leben.

Genau dabei aber geht dann doch manchmal der Himmel auf. Wie vor ein paar Monaten. In einem Telefonat bemerkte ein Freund meine Dünnhäutigkeit und sagte völlig überraschend: „Ab sofort telefonieren wir einmal die Woche“.

Sagte einer, der fast gar keine Zeit hat. Die wöchentlichen Telefonate seither zählen einzeln als Glückchen. Insgesamt ist das Glück. Großes Glück.

Ich wünsche uns allen jeden Tag ein Glückchen und ab und zu ein großes Glück.