Ja, bin ich denn ein Hostel?

Von Gastfreundschaft und Postpaketen

Als junge Frau habe ich von einem offenen Zuhause geträumt. Einladend und gastfreundlich sollte es sein, willkommen heißen, wer immer auch kommen will.

 (DR)

Die erste Probe kam im Studium in Paris. Ich wohnte in einer „Chambre de bonne“, einem ehemaligen Dienstbotenzimmer auf 6qm im sechsten Stock in der Nähe der Champs Elysées.

Bei einem Theaterbesuch kam ich mit einer jungen Frau aus dem Publikum in der Pause ins Gespräch, die noch kein Nachtquartier hatte. Platz ist in der kleinsten Hütte dachte ich, sagte, „kein Problem, schlaf bei mir“. Ein bisschen mulmig war mir schon.

Am nächsten Morgen auf dem Weg zum Bäcker leuchtete die riesengroße, tiefhängende, gerade aufgehende Wintersonne glutorangerot in den Sonntagmorgen und lachte mich aus: "Angsthase! Alles gut gegangen!" Tatsächlich habe ich nie schlechte Erfahrungen mit Gastfreundschaft gemacht, Freunde fürs Leben gewonnen und auch heute haben wir ein offenes Haus:

Die Freunde der Kinder, Nachbarn aus Syrien und Guinea, Freunde von früher, Abenteuerübernachtungen im Baumhaus für ganze Familien oder kleine Zwucks, die das Groß sein üben wollen... viele Male brauchten wir Sonntagsmorgens viele Brötchen vom Bäcker.

Nun, seit Paris musste ich mit erhöhten Brötchenkosten rechnen. Nicht gerechnet habe ich mit erhöhten Portokosten.

Kulturbeutel und Rasierer, Englischbücher und Taschenrechner, Jacken, Mütze und Handschuhe, wo auch immer sie ihre Köpfe haben, kaum ein Besuch von jungen Leuten, der nichts liegen lässt. Aber bin ich denn ein Hostel?

Nach unzähligen Paketen habe ich genug vom Modell Jugendherbergsmutter, die liebevolle Päckchen mit Schokoriegel und Karten garniert und in alle Himmelsrichtungen schickt.

Führe stattdessen das Modell Bällchenbad, copyright ein schwedisches Möbelcenter, ein: „der kleine Kulturbeutel Hans und die kleine Mütze Lisa suchen ihre Eltern und können im Kinderparadies abgeholt werden“.

Gerade hatten wir wieder so ein volles Haus. Als alle am Sonntagmorgen abgereist sind, drehe ich eine, große, große Hunderunde über die Felder. Als ich zurückkomme, sehe ich als erstes das Handy der Großen auf dem Tisch. Und als zweites den hektisch blinkenden Anrufbeantworter. Sieben verpasste Anrufe. Sieben!

Eine Schlüsselkarte einer Schließanlage ist mit einem Anorak zurückgeblieben, die muss jetzt in den tiefen Süden. Und das Handy der Großen nach Holland. Da ist wohl eher nichts mit Abholen. Nur mit Päckchen packen. Zügig!

Vielleicht sollte ich unser kleines Hostel einfach um eine Postfiliale erweitern. Die werden doch so händeringend überall gesucht!

Gastfreundlich kann ich ja trotzdem bleiben.