und sich beschweren

Von Beschwerden

„Ich habe Dich verstanden. Es ist gut jetzt. Du brauchst Dich nicht so anzustrengen.“

 (DR)

Begütigend legt mir Erzbischof Simon Ntamwana aus Burundi, der überraschend während einer Europareise auf Stippvisite vor unserer Türe steht, die Hand auf den Arm.

Da ich über Erzbischof Simon und sein Versöhnungswerk ein Buch geschrieben habe, das jetzt ins Französische übersetzt wird, haben wir in der Tat viele Dinge zu bereden.

Wobei mich eine Sache wirklich aufregt. Deswegen trage ich sie nachdrücklich vor. Doch, noch bevor ich die ganze Geschichte erzählt habe, sagt Erzbischof Simon: „Ich habe Dich verstanden. Es ist gut jetzt. Du brauchst Dich nicht so anzustrengen.“

Seine Hand auf meinem Arm unterbricht meinen Redefluss. Und plötzlich merke ich verwundert, wie anstrengend es in der Tat ist, meine Beschwerde so nachdrücklich vorzutragen.

Meine Worte, die gesagten und die ungesagten, bleiben in der Luft schweben.

Die Ungesagten schenken mir ihre unverbrauchte Energie zurück. Mit der ich mich dem Rest der Arbeit zuwende und die wir ganz vergnüglich erledigen.

Wenig später ist der Erzbischof schon zum nächsten Termin unterwegs. Ich will den Kopf frei bekommen, schnappe mir den Hund. Bevor ich losgehe, nehme ich meine Trainingsgewichte aus der Schublade.

Doch - als ich die mit sandgefüllten Arm- und Knöchelmanschetten anlege, merke ich plötzlich, was ich da tue: ich beschwere mich. Ich hänge mir Gewichte um. Klar, ich will, dass meine sich am Schreibtisch in Watte auflösenden Muskeln erinnern, wozu sie da eigentlich an mir dran sind.

Aber zum ersten Mal überhaupt, nehme ich diese, ganz und gar wörtliche, Bedeutung von sich beschweren wahr: ich beschwere mich. Ein reflexives Verb. Also eine Handlung, die sich auf mich bezieht.

Den Satz des Bischofs im Ohr, die Sandmanschetten an Armen und Beinen, denke ich durch die Felder laufend über diesen doppelten Sinn, die wörtliche und die übertragene Bedeutung, von sich beschweren nach. Dass ich mich bei einer Beschwerde selbst beschwere – diesen Gedanken habe ich noch nie gedacht.

Vielleicht ist es mit Beschwerden ja wie mit Trainingsgewichten. Notwendige Beschwerden, für das, was wirklich wichtig ist, trainieren die Seele, wie die die Trainingsgewichte die Muskeln.

Aber, wenn ich mich nicht durch unnötige Beschwerden selbst beschwere, mir das Leben schwermache, wäre mein Leben also viel unbeschwerter?

Coole Einsicht denke ich, als ich ohne Gewichte leichtfüßig die Treppe zu meinem Schreibtisch nehme.