Eine Fahrradfahrt durch die Sommernacht

Vollmondlicht. Und am Ende ist alles gut.

Es ist spät abends. Aber die Luft ist noch ganz warm. Ein letzter Streifen Zwielicht schwebt noch zwischen Himmel und Erde.

Vollmond / © Matthias Balk (dpa)
Vollmond / © Matthias Balk ( dpa )

Nachdenklich radle ich durch die Nacht vom Nachbarort nach Hause. Sieben Jahre lang bin ich die Strecke gefahren. Selten mit Fahrrad und Muße. Meist hastig, oft auf den letzten Drücker mit dem Auto.

Kein Wunder. Es gab viel zu tun. Mein Sohn ging in den ersten Jahrgang einer neuen Sekundarschule, ich übernahm den Vorsitz der Elternschaft. Eine neue Schule ist immer viel Arbeit. In diesem Fall entpuppte es sich als unkalkulierbar viel Arbeit.

Gedacht war die Sekundarschule als eine Schule für alle Kinder, wie eine Gesamtschule. Nur ohne Oberstufe. Gewollt war sie aber von vielen Menschen im Ort als eine Nachfolgeschule von Haupt- und Realschule.

Die Quittung kam schnell.

Schon nach zwei Jahren sackten die Anmeldezahlen brutal ab. Die Zukunft der Schule, die kaum begonnen hat, hätte bald schon bald wieder zu Ende sein können. Das wollten wir nicht zulassen.

Es wurde ein harter Kampf, jetzt wollten wir eine Gesamtschule. Niemand von uns ahnte, worauf er sich einließ.

Monatelang sah es realistischer Weise so aus, dass wir den Kampf nicht gewinnen konnten. Eine Gesamtschule war politisch nicht gewollt.

Monatelang sah es so aus, als habe der Ort bald nur noch ein Gymnasium. Und die Hälfte der Kinder müsse sich einen Schulplatz außerhalb suchen.

Monatelang führten wir einen Kampf David gegen Goliath, kassierten auf den letzten Metern eine schallende Niederlage im Schulausschuss. Gewannen, in einer Art Fotofinish, die entscheidende Ratsabstimmung überraschend dann doch.

Dann ging die Arbeit erst richtig los: wir brauchten einen Namen, wir brauchten ein Programm. Und Anmeldungen brauchten wir natürlich auch.

Jetzt zum Sommer geht der erste Jahrgang. Mit ihm geht mein Sohn. Mit meinem Sohn gehe ich. Als ich durch die Sommernacht nach Hause radle, habe ich mehr als genug Dinge zum nachsinnen.

Eben erst hat mich eine Mutter in den Arm genommen. „Die Grundschule war schrecklich. Ich wollte nur die Schule bis zur zehn überstehen. Irgendwie. Jetzt geht mein Sohn in die Oberstufe, will Lehrer werden. Ich fasse es nicht.“

Viele Eltern kommen so zu mir. Einmal suchte mich am Tag der offenen Tür ein orientalisch gekleideter Vater. Nahm meine Hand, legte seine andere auf sein Herz, lächelte glücklich.

Auf der Fahrt leuchtet mir der volle Mond hell. Für einen Moment ist alles in Ordnung.

Wie wunderbar.