über Glückskinder

Ich bin ein armer Tropf

Ein bisschen stolz, ein bisschen triumphierend. Und fast auch ein bisschen eingeschüchtert über so viel Glück, legt der Jüngste vier Fußballkarten auf den Tisch.

 (DR)

Aufgeregt erzählt er. Wie er beim heißgeliebten Besuch des Lieblingsfußballvereins zum Torwandschießen aufgefordert wurde. Sich nicht traute, dann doch überwand, mitmachte, zwei Tore schoss und vier Eintrittskarten für das nächste Bundesligaspiel geschenkt bekam. Vier!

Die Große, die auf Besuch vom Studium vorbeischaut, lacht laut: "Wie immer. Er gewinnt einfach immer."

Sehe ich genauso: Ich erinnere mich da an diverse Schul- oder Gemeindefeste. Wo immer eine Tombola herumstand, da kam das Kind vorbei, sah und siegte. Natürlich immer den ganz großen Bären, ein Fonduegeschirr oder, auch schön, einen Sitzsack.

In besonders guter Erinnerung habe ich die Szene in der Schwimmbadhalle. Ein neues Frauensportstudio hatte ein Glücksrad aufgebaut. Ich ging zielstrebig vorbei, der Jüngste blieb stehen. "Willst Du mal drehen?" Er wollte. Und gewann eine Probemitgliedschaft. Die ich nie vor hatte einzulösen. Aber dann, ich musste eine halbe Stunde warten und kam im Regen am neuen Studio vorbei, bin ich doch reingegangen. Was soll ich sagen. War gut. Bin immer noch Mitglied.

Der Große ist auch so ein Glückskind. Nur anders. Der ist an einem Sonntag auf die Welt gekommen. „Du Glückskind“ habe ich damals in sein winziges Öhrchen geflüstert. Schon mit der Wahl seines Geburtstages, er kam ein bisschen zu früh, brachte er uns Glück: der Sonntag war der letzte Tag des Monats. Das machte zu seinem Einstand an zwei Tagen hintereinander, zweimal Kindergeld.

Das Glück blieb ihm hold.  Er ging zum Klassenausflug im ersten Schuljahr zur Sommerrodelbahn mit zwei Euro Taschengeld hin. Und kam mit zwei Euro Taschengeld zurück. Gerodelt war er trotzdem. Komplizierten Tauschaktionen und einem kaufmännischen Geschick sei Dank. Wie selbstverständlich sagte er: "Ich bin eben ein Glückskind."

Das würde der Jüngste nie von sich sagen. Als er klein war, sagte er über sich: „Oh, ich bin ein armer Tropf.“ Die vielen Tombolagewinne wiegen das nicht auf. Alles, was das Leben ihm so schenkt, was weiß ich, Lagerfeuer-Geburtstage, Urlaube, Freunde oder auch Besuche beim Lieblingsfußballverein, scheinen auch kein Gewicht zu haben. Mit links kann er den lieben, langen Tag Gründe finden, warum er dieser arme Tropf ist. Damit ist jetzt Schluss. Wer vier Fußballkarten gewinnt, der ist kein Tropf, der ist ein Glückskind, sage ich autoritär.

Der Jüngste nickt.