Weil alles Leben kostbar ist

Rotkehlchenalarm

"Was ist denn da los?" Mein Mann war der erste, der einen Verdacht hegte. Warum flogen plötzlich Vögelchen zum rot-weißen Futterhäuschen vor dem rot-weißen Bauwagen im Garten?

Rotkehlchenalarm / © Angela Krumpen  (ak)
Rotkehlchenalarm / © Angela Krumpen ( ak )

Aus der Vermutung wird Gewissheit: ins rot-weiße Futterhäuschen waren Gäste eingezogen. "Das ist doch ein Restaurant, keine Wohnung" schüttelt mein Mann seinen Kopf. Warum die Rotkehlchen das Futterhäuschen und nicht die, ganz in der Nähe aufgehängten, Nistkästen aufsuchten, umein Nest zu bauen - das bleibt ihr Geheimnis.

Fakt ist, die Seitentürchen des Futterhäuschens stehen leicht auf. Weil darunter ein Nest hervorquillt. Ein Rotkehlchennest.

Mein Mann legt seine vogelkundige Stirn in Falten und befindet: "Die Kleinen fallen da sofort runter, dann lassen die Eltern sie fallen und sie sterben."

Schwierig. Denn das Futterhäuschen steht auf einem Pfahl, den kann man nicht einfach aus dem Boden holen - dann ist das Leben der Vogelkinder vorbei, bevor es angefangen hat. Wir beschließen: ein Laufstall muss her.

Mein Mann macht sich erfinderisch ans Werk, denkt sich eine Konstruktion aus, die wie ein Tablett von zwei Seiten vorsichtig unter dem Futterhäuschen zusammen geschoben wird. Wir atmen erleichtert auf.

Da kommt der Hagel. Der Tornado vom Niederrhein ging durch alle Medien. Der Tornado tobte kaum 5 km von uns entfernt. An seinen Rändern hagelte es  Riesenhagelkörner. Bis zu 40cm hoch blieb der Hagel liegen. Tja, danach war der Laufstall kaputt und die Rotkehlchen weg.

Mein Mann fing wieder von vorne an - neuer Laufstall, neues Glück: die Rotkehlchen fliegen wieder. Und wir atmen wieder auf.

Mit Pfingsten aber kam unser traditionelles Pfingstfest. Was tun? Mein Mann sperrte einen Teil des Gartens zum  Vogelschutzgebiet, die kunstsinnige Ganzgroße malte Warnschilder zur Rotkehlchenbrut.

Das Fest kam und ging. Alle Gäste übten Rücksicht. Die Geschichte scheint kein Happy end zu haben, es sieht so aus, als ob alles nichts geholfen und die Rotkehlcheneltern sich der Übermacht der Hindernisse gebeugt hätten.

Ich hoffe zwar immer noch, das nicht. Aber falls doch: dann ziehe ich nicht nur meinen Hut vor dem Engagement von Mann und großen Kindern. Sondern finde: es war richtig, alles zu versuchen. Leben ist kostbar. Auch das von Rotkehlchen.

Außerdem: male ich schon mal die Nistkästen an den roten Backsteingaragenwänden rot-weiß an. Vielleicht haben die Rotkehlchen dann nächstes Jahr mehr Glück.