Lichtermeer für Aleppo V

Ostersonntag - Und plötzlich geht die Türe auf

Der Flug ist gelandet, das Symbol fürs Kofferband schon erloschen. Angespannt blicken drei Geschwister auf eine Ankunftstür am Flughafen Düsseldorf.

Sie sind da! / © Angela Krumpen  (ak)
Sie sind da! / © Angela Krumpen ( ak )

Die sich mit leisem Zischen beständig öffnet und schließt. Und mir wie ein Sinnbild für die letzten Jahre vorkommt. Andauernd gab es Hoffnung, die Türe ginge auf, andauernd wurde die Hoffnung vom Leben, vom Krieg, von der Politik überholt und die Türe wieder zugeschlagen.

Von der Familie habe ich an dieser Stelle oft erzählt. Wie tausende Landsleute flüchteten drei syrische Geschwister im Herbst 2015 vor dem Krieg in ihrem Land, mit Schlauchboot, mit Bus,  Bahn und zu Fuß. Hatten Glück: Durften einen Antrag auf Familiennachzug stellen.

Damit hätte die Türe auf sein können - war sie aber nicht. Immer neue Hürden türmten sich: Erst monatelanges Warten auf einen Termin in einer deutschen Botschaft. Am Termin selbst verhinderte der Kampf um Aleppo die Ausreise. Danach scheiterten viele Fluchtversuche an der von der Türkei geschlossenen Grenze zu Syrien.

Einmal werden Mutter und Tochter viele Tage von Schleusern getrennt.

Wenn es, wie oft,  weder Strom noch Empfang gibt, quält lähmende Ungewissheit die Geschwister in Deutschland. Gibt es Strom und Empfang aber - müssen die Geschwister aus der Ferne immer neue Horrornachrichten aushalten.

Endlich. Nach zwei Jahren schaffen Mutter und Tochter es in die Türkei zum deutschen Generalkonsulat. Neuer Antrag, neue Qual: das Warten auf  eine Einreiseerlaubnis. Illegal, ohne medizinische Versorgung, die vor allem die erkrankte Mutter bräuchte, harren sie in der Türkei aus.

Wieder werden aus Wochen Monate. Wieder ist die Familie einen weiteren Jahreswechsel getrennt.

Dabei: schon zu Weihnachten 2016 haben in der Aktion "ein Lichtermeer für Aleppo" Menschen aus der ganzen Welt der Familie Kerzenbilder als Zeichen der Hoffnung geschickt. Die Hoffnung, die aufglimmt, erlischt im nächsten Moment.

Die Lage scheint aussichtlos, der Winter endlos.

Da löst im Februar ein Brief im Behördendeutsch zeitgleich in der Türkei und am Niederrhein Freudenschreie aus: Mutter und Tochter bekommen ein Visum.

Drei Wochen später stehen die drei Geschwister in der Ankunftshalle des Flughafens, warten und warten. Schon kommen die Passagiere des nächsten Fluges an.

Da geht erst die Tür und dann die Sonne auf: erst kommt die Tochter mit einem Gepäckwagen, dann erscheint die Mutter.

Zwei Jahre, fünf Monate und zehn Tage war die Familie getrennt. Heute  kommen alle fünf zum Osteressen.