WunderBar

Online-Glück

Bevor meine Wochenendaufgaben, Putzen, Waschen, Aufräumen, an die Reihe kommen können, packe ich ein Bücherpäckchen, bringe es hurtig zur Post und hoffe inständig, dass es noch rechtzeitig ankommen möge.

 (DR)

Ich muss mich so beeilen, weil das Päckchen an eine Schule ganz im Osten der Republik geht. Und da, also in Brandenburg, stehen die Sommerferien vor der Tür.

Vor kurzem hatte mich eine Lehrerin aus Ostdeutschland angemailt und gefragt, ob ich für eine Onlinelesung in ihrer Schule zur Verfügung stehe.

Eine Onlinelesung! Corona macht so viele Dinge möglich. Vor einem Jahr noch hätte ich bedauernd ablehnen müssen. Am Niederrhein wohne ich nahe der holländischen Grenze im äußersten Westen der Republik, die Schule liegt nahe der polnischen Grenze im äußersten Osten der Republik.

Also, für eine kleine Lesung hätte ich niemals einmal quer durchs Land reisen können.

Weil wir in der Pandemie aber ja alle gelernt haben, online zu arbeiten, kann ich zurückschreiben: Kein Problem, natürlich können wir das machen.  

Während ich mich in die Videokonferenz einwähle, staune ich: Die Lehrerin hat mich wegen meines Buches über den Völkermord in Burundi angefragt. Ein Völkermord ist immer schwere Kost, die Schule ist dennoch interessiert.

Die Schule ist eine große Ausnahme: Kaum jemand möchte sich mit Geschichten aus dem Völkermord konfrontieren.

Und für Burundi interessieren sich sowieso nur verschwindend wenige Menschen. 2020 war Burundi sogar das Land auf der ganzen Welt, über das am allerwenigsten berichtet wurde, in einem Ranking dazu liegt es tatsächlich auf dem letzten Platz.

Umso dankbarer bin ich, dass die Schüler sich an diesem heißen Sommerabend einwählen und sich konfrontieren lassen, wie Hutus und Tutsis sich gegenseitig umbringen. Wie ein Bibelkatechet zum Mörder wird und eine grausam misshandelte Frau auf ihre Peiniger zugeht, um ihnen Versöhnung anzubieten.

Die Geschichten verschlagen den Schülerinnen die Sprache, kaum wagen sie am Ende Fragen zu stellen.

Später haben sie ihren Lehrerinnen erzählt, wie bewegt sie waren. Ob sie das Buch vielleicht lesen könnten?

Was für eine Frage. An eine Autorin. Denn: Welchen Sinn macht es Bücher zu schreiben, wenn keiner sie lesen will? Zu wissen, dass Jugendliche am anderen Ende der Republik das Buch lesen, nicht weil es Schullektüre ist, sondern, weil sie es lesen wollen, kann eine Autorin doch nur glücklich machen.  

Und, wie wunderbar, die Post hat es noch rechtzeitig geschafft.