oder: das hatte ich mir anders vorgestellt!

Gehe erst durch die Türe, wenn du davorstehst

Es ist sicher zehn Jahre her. Aber ich weiß es noch wie heute. Die Eltern eines Kindergartenfreundes des Großen trennten sich, sahen das Kind wochenweise. Jäh durchfuhr mich ein Schmerz. Weil ich mir vorstellte, ich müsste die Hälfte der Zeit auf mein Kind verzichten. Übergangslos war ich beim nächsten Schrecken: Wie sollte das nur werden, wenn die Kinder ganz gehen?
Tja, jetzt ist der Große weg.

Türe  / © Mbarbey49
Türe / © Mbarbey49

Und mir geht es gut. Richtig gut. Wirklich! Weil, erstens freue  ich mich wie Bolle für ihn. Er hatte sich beworben für das "segelnde Klassenzimmer". Und eine Zusage bekommen. Jetzt segelt er über den Atlantik. Und zweitens bin ich so dankbar, dass es Menschen gibt, die sich, ehrenamtlich, mit 26 Pubertisten in ein Segelschiff auf den Atlantik setzen. Und den Kids diese Erfahrung schenken. Wie großartig ist das denn?

Ja, einmal bin ich morgens wachgeworden. Und irgendetwas zog in meinem Herzen. Ich brauchte, um zu merken, was da so wehtat. Es war die Gewissheit: erst im Mai werde ich den Großen wieder sehen! Andererseits: gar keinen Schmerz zu fühlen - das  wäre ja auch sehr seltsam. Aber, sollte ich mein Herz als Kuchen malen, dann wär das Schmerzstück kaum größer als  8%. Die 92%  Resherz sind voller Freude.

Viele Menschen nehmen Anteil an dieser Abenteuerreise des Großen. Entsprechend oft werde ich gefragt, wie es ihm gehe. Und wie mir?  Wenn ich freudig "gut" antworte, schauen manche Eltern mich wie ein Alien an. "Echt?" fragen sie. "Ja, echt", sage ich und frage mich, ob ich jetzt kalt und herzlos bin? Bis mir die Episode vor 10 Jahren  wieder einfällt. Als der Große noch klein war und ich mir niemals nicht hätte vorstellen können, ihn mehr als ein halbes Jahr nicht zu sehen.

Na, den Schrecken damals hätte ich mir gepflegt sparen können. Aber erst jetzt begreife ich  meinen Irrtum: damals habe ich gedacht, Mamasein fühlte sich immer so an, wie das Mamasein für einen Siebenjährigen. Der seine Mama braucht. Jeden Tag neu. Und die Nacht dazwischen auch noch oft. Das ist bei einem bald 17jährigen, hoffentlich, anders. Und weil es so anders ist, fühlt es sich eben auch ganz anders an… !

Heute ist Sonntag. Ich habe Zeit zum Lesen. Mir fällt das Sprichwort "Geh erst durch eine Türe, wenn du davorstehst" in die Hände.

Könnte sein, das gilt nicht nur für Mamas von kleinen Kindern, die sich das Leben nicht ohne ihre großen Kinder vorstellen können.