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Neues Jahr, altes Motto. Untersuchen ist Liebe.

Jedes Jahr suche ich einen Satz. Ein Motto für ein neues Jahr. Dieses Jahr brauche ich kein neues Motto. Das alte ist aktueller denn je.

domradio.de wünscht ein gesegnetes neues Jahr aus Köln (dpa)
domradio.de wünscht ein gesegnetes neues Jahr aus Köln / ( dpa )

Letztes Jahr habe ich an dieser Stelle gefragt: Kennen Sie das, wenn Ihnen ein Wort oder ein Satz mitten ins Herz fällt? Bis ganz tief unten? Im Frühjahr war so ein Wort in mich gefallen: Untersuchen ist Liebe.

Übergangslos fielen mir viele Situationen ein, in denen das stimmte. Situationen in denen es besser, heilsamer, konstruktiver gewesen war, die Dinge zu untersuchen. Anstatt etwas zu unterstellen, es besser zu wissen oder immer schon gewusst zu haben.

Aufgehört habe ich letztes Jahr mit:

Untersuchen ist Liebe. Mein Satz für das neue Jahr und das neue Jahrzehnt, in dem wir es uns, siehe Klimawandel, Brexit und Gelbwestenproteste, einfach nicht leisten können, nicht an einem Strang zu ziehen.

Bei den Sätzen habe ich bitter aufgelacht. Denn, ha, Klimawandel, Brexit und Gelbwestenproteste in Frankreich! Klar waren das riesige Herausforderungen. Aber wir konnten sie uns vom Leib halten, sie blieben fern.

Corona ist anders. Corona dringt bis in unsere Lungen vor.

Viele Reaktionen auf Corona haben mich verstört. Es fällt mir schwer zu verstehen, warum so viel über geschlossene Friseursalons und nicht optimale Haaransätze gesprochen wurde – wenn es eigentlich darum geht, die Menschen zu schützen, die medizinisch für uns da sind.

Es fällt mir schwer zu verstehen, warum so viele Menschen ihr Verhalten nicht ändern – obwohl sie damit Menschenleben gefährden. Es fällt mir schwer zu verstehen, warum der Tod von so vielen alten Menschen so ungerührt aufgenommen wird.

Bei dem vielen Nichtverstehen bin ich meinem Jahresmotto „Untersuchen ist Liebe“ sicher nicht gerecht geworden. Im Gegenteil: Über die Zeit ist es mir immer schwerer gefallen, zu verstehen, was es eigentlich an dem Zusammenhang von Abstandsregel und Ansteckung nicht zu verstehen gibt.

Verstanden habe ich, dass vielen Menschen die eigenen Freiheiten wichtiger sind, als die von unbekannten anderen, schwächeren Menschen.

Aber nun. Umso weniger ich das verstehe – desto mehr muss ich mich anstrengen es zu untersuchen.

Egal wie oft es schon gesagt worden ist: Diese Pandemie können wir nur gemeinsam bestehen.

So nehme ich mein altes Jahresmotto mit ins neue Jahr. Und nehme mir vor, mich mehr anzustrengen.

Mehr zu Untersuchen. Also eigentlich: mehr zu lieben.