Ich kann nicht gehen. Aber ich kann fliegen.

Nadin Schindel.

Nadin Schindel, 24 Jahre, kandidiert für die Hamburger Bürgerschaft. Das könnte schon die ganze Nachricht sein. Ist es aber nicht. Nadin Schindel ist eigentlich ein Wunder.

Nadin Schindel / © Angela Krumpen (ak)
Nadin Schindel / © Angela Krumpen ( ak )

Bis vor etwas mehr als zwei Jahren steckte Nadin Schindel in einer Schublade. Die Schublade hieß: Schütteltrauma? Da kann man leider nichts machen!

Ein Schütteltrauma ist so ziemlich das Gefährlichste, das einem Baby passieren kann. In Deutschland sterben laut Wikipedia jedes Jahr zwischen 100 und 200 Säuglingen an diesem Trauma.

Nun, Nadin Schindel ist als Baby geschüttelt worden. Alles klar, haben alle gedacht: Was für ein Schicksal. Aber da kann man leider nichts machen

Nadin Schindel hat mit diesem Urteil - da könne man nichts machen - und all seinen Grenzen gelebt. Dennoch hat sie sich z.B. das Abitur in einem Internat erkämpft, um von ihren gewalttätigen, alkoholkranken, überforderten Eltern weg zu kommen.

Plötzlich verlor Nadin Schindel, die Fähigkeiten, die sie noch hatte. Wurde bettlägerig und zum kompletten Pflegefall. Als am Ende jeder Atemzug schmerzte, reichte es ihr. Sie stellte ein Ultimatum. Gott.

Sieben Wochen gab Nadin Schindel Gott. Wenn sich bis dahin nichts geändert habe, wollte sie sterben. Selbstbestimmt und mit Gottes Segen. Das heißt: eigentlich wollte Nadin Schindel natürlich leben. Aber so, so abhängig, so würdelos und so schmerzvoll, wollte sie nicht mehr leben. Dann wollte sie lieber sterben.

Tja. Ein paar Tage nach diesem Ultimatum an Gott, kam eine Urlaubsvertretung. Kam ein neues Therapeutinnenteam. Und zum ersten Mal, überhaupt, ging das Team nicht davon aus, dass man, leider, leider, eh nichts machen könnte.

Die Therapeutin fand einen winzigen Rest Muskelkraft, den sie aktivierte. Und stimulierte. Die Therapeutin schaute auf das, was möglich, machte sich frei von der Diagnose "Schütteltrauma". Und fand heraus: obwohl Nadin Schindel geschüttelt worden war, war das nicht die Ursache für ihre spastischen Lähmungen.

Nadin Schindel hatte Gott sieben Wochen Zeit gegeben. Sechs Wochen später war sie schmerzfrei. Drei Monate später sagte das Therapeutenteam: "Nadin, jetzt kannst Du alles, um alleine zu leben."

In Hamburg besuche ich Nadin Schindel in ihrer Wohnung, in der sie mit einer Deckenliftkonstruktion morgens aus dem Bett in den Rollstuhl schwebt. Sie lacht:„Ich kann nicht gehen. Aber ich kann fliegen.“

Nadin Schindels Botschaft als Kandidatin im Wahlkampf für die Hamburger Bürgerschaft?  Wenn wir auf die Möglichkeiten schauen, nicht auf die Grenzen, können wir es gemeinsam weit bringen.