Leuchtende Hoffnung für Aleppo

Der Regenbogen

Sonntagnachmittag. Um die Teetassen auf dem Sofatisch schwirren mir die Fragen nur so um die Ohren. Mir ist, als wollten die drei syrischen Geschwister alle Rätsel, die das deutsche Leben ihnen aufgibt, auf einmal lösen.

Regenbogen / © Angela Krumpen  (ak)
Regenbogen / © Angela Krumpen ( ak )

Da sind Fragen nach Wörtern und wie wir sie benutzen. Fragen zu neuen Briefen von Behörden, Fragen zu Vorbereitungen für die Uniprüfung.

Denn dorthin, wo sie schon einmal waren, wollen sie wieder hin: an die Uni. Mohammed war Pharmazie-, Basima Medizinstudentin. So jung waren sie noch, als erst der Vater an einem Herzinfarkt starb und dann der Krieg grausame Bomben auf die Schule der Jüngsten warf. Alle Kinder der 2. Klasse waren nach dem Angriff tot. "Die Straße zur Schule war ein roter Fluss", hat die Jüngste erzählt.

Nach dem Bombenangriff schickt Achlam, die Mutter der dreien, selber gehbehindert, drei ihrer vier Kinder übers Mittelmeer. Das vierte Kind, auch eine Tochter, bleibt bei ihr, beide wollen später nachkommen. Von dieser Familie habe ich in der WunderBar öfter erzählt: auch im letzten Advent. Als wir ein Kerzenmeer, Kerzenbilder aus vier Erdteilen, zu Mutter und Tochter in die eingeschlossene Stadt Aleppo via Facebook brachten. Licht, damit nicht auch noch die Hoffnung ausgelöscht wurde.

Zuletzt habe ich im Mai berichtet, wie es der Familie ergeht: Mutter und Tochter hingen, auch als der Krieg im Januar zu Ende ging, vor dem IS in Idlib und der geschlossenen Türkeigrenze fest.

Im Juni habe ich nach Aleppo telefoniert: Die Bundesregierung hatte inzwischen die Gesetze geändert und den Familiennachzug bei Geschwistern, obwohl schon genehmigt, nachträglich untersagt: die 17jährige Schwester hat kein Recht mehr zu kommen.

Schreie und Verzweiflung fluteten das Telefon und mein Herz. Was kann diese Mutter trösten? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur eines: Nicht aufgeben! Niemals.

Im September dann ein Krimi, der zum Wunder wurde: beide Frauen haben es in die Türkei geschafft. Konnten in der Botschaft vorsprechen. Seitdem - warten sie wieder. Jetzt in der Türkei.

Und auf dem Sofa im Niederrheinwohnzimmer warten ihre Kinder. Heute mit mir. Sehnsüchtig und vertrauensvoll schauen sie mich an. Mein Herz ist, schon wieder, schwer: ich kann doch auch keine Hoffnung backen! Plötzlich, schillert etwas in meinem Augenwinkel: als ich den Kopf drehe, leuchtet ein kompletter Regenbogen am Himmel.

Die Mutter bekommt ein Foto und in einer Sprachbotschaft erzähle ich vom Versprechen des Regenbogens.

Jetzt spannen Himmel und Handy Hoffnung. Leuchtende Hoffnung zum ersten Advent.