Lichtermeer für Aleppo IV

Karfreitag - Wie weiter hoffen?

"Alle Wünsche auf unserer Karfreitagskerze haben sich erfüllt, nur der für Eure Familie nicht". Kopfschüttelnd zeige ich drei jungen syrischen Geschwistern unsere Tischkerze.

Osterkerze 2017 / © Angela Krumpen (ak)
Osterkerze 2017 / © Angela Krumpen ( ak )

Wie oftmals donnerstags, sind drei junge Syrer zu Besuch bei uns. Wir kochen, essen, lesen Zeitung und reden über die Woche.

Wie immer brennt in der Mitte des Tisches unsere Familienkerze. Jedes Jahr zu  Karfreitag gestalten wir gemeinsam eine neue, jedes Jahr erscheinen unsere Wünsche und Hoffnungen als kunstvolle Bilder, begleiten uns, von innen angeleuchtet, ein ganzes Jahr.

Inständig wünschte ich im letzten Jahr, dass die syrische Familie, über die ich an dieser Stelle öfter berichtet habe, endlich wieder vereint sei. Auf leuchtend blauem Wachs klebte ich ein Dach aus zwei Flaggen: links die syrische, rechts die deutsche, darunter fünf winzige goldene Kügelchen - für jeden Kopf der Familie eines. Gold auf blauem Grund als Sinnbild für das Europa, das immer noch den Schutz der Menschenrechte gewährt.

Die drei Geschwister waren geflohen, nachdem ein Bombenangriff auf die Grundschule der Jüngsten alle Kinder im zweiten Schuljahr getötet hatte. Die gehbehinderte Mutter hätte die Flucht über Land und Wasser nicht geschafft. Damit sie nicht alleine war, blieb das vierte Kind mit ihr in Aleppo zurück.

Den Geschwistern wurde in Deutschland der Schutz der Genfer Konvention zugesprochen und Familiennachzug gewährt. Die Lage von Mutter und Tochter in Aleppo wurde immer aussichtsloser. Der Krieg zerbombte das Leben, die Tochter konnte nicht mehr zur Schule, die Mutter nicht mehr zum Arzt.

Zu Weihnachten 2016 schickten Menschen aus der ganzen Welt in der Aktion "ein Lichtermeer für Aleppo" mit ihren Kerzenfotos Hoffnung.

Aber auch als der Krieg in Aleppo nachließ, türmten sich die Hindernisse: die Grenze zur Türkei war zu. Wie aber sollte dann das Visum für den Familiennachzug in Izmir beantragt werden? Wochen wurden zu Monaten, Monate zu Jahren.

Das schützende Dach auf unserer Kerze ist schon ganz eingeschmolzen, als wir mit den Geschwistern im Advent zu Abend essen. Die Augen der Jüngsten sind dunkel vor Schmerz. Mit zwölf Jahren hat sie sich von ihrer Mutter getrennt, fast zweieinhalb Jahre ist das her.

Ich sehe den Schmerz, weiß, dass es eigentlich keinen Ausweg gibt. Sage dennoch: Wir geben nicht auf.  

Karfreitage haben normalerweise kein Happyend. Aber dieses Jahr sind wir zwei Personen mehr am Tisch: Mutter und Tochter malen ihre eigene Kerze.