Fremde Welt am Niederrhein

Von Karneval und Klappertüüt

Um die Jahrtausendwende bin ich umgezogen. Ich machte mir keinen Kopf. Schließlich ging es einfach nur mal kurz den Rhein hoch, vom Rheinland an den Niederrhein. Nichts hatte mich darauf vorbereitet, dass eine fremde Welt mit rätselhaften Sitten und Gebräuchen und noch rätselhafteren Ausrufen auf mich wartete. Vor allem an Karneval. Klappertüüt!

Karneval gechminktes Gesicht / © dpa
Karneval gechminktes Gesicht / © dpa

Klappertüüt?

Klappertüüt rufen die Menschen in dem Ort,  an den ich gezogen bin, zu Karneval. Hat das eine Bedeutung frage ich erst mich, und dann  Wikipedia: Klappertüüt bedeute Panhas. Aha. Dann muss ich jetzt nur noch herausfinden, was Panhas bedeutet. Wikipedia weiß auch hier weiter: Panhas ist ein  - Buchweizengericht. Mich befallen ernste Zweifel. Wo bin ich hier gelandet?

Wie kann man "Buchweizengericht" rufen,  wenn der Prinz kommt? 

Dann kam der Große in die Grundschule. Die Zeit der Elternbriefe fing an.

Mit dem Karnevalselternbrief wurde ich in ein neues Geheimnis, den Karnevalszug der Grundschule, eingeweiht. Was ich verstand: die Eltern verkleiden und schminken morgens ihre Kinder, füllen selbstgebackene Mutzemandeln in die Butterbrotdose und schicken die Kinder zum Feiern in die Grundschule.

Dann heißt es schnell sich selbst verkleiden und auf den Weg machen. Die Polizei hat inzwischen die Straßen gesperrt. Damit die Grundschulkinder durch den Ort ziehen können. Huldvoll.

Am Straßenrand stehen alle Kindergartenkinder mit ihren Erzieherinnen. Bewundern die großen Schulkinder. Alle Eltern stehen auch da. Und haben sich jetzt große Tüten mit Wurfmaterial um gehangen. Sobald die vorbeiziehenden Schulkinder das Zauberwort "Buchweizengericht", äh, "Klappertüüt" rufen, regnet es Kamelle aus Elternhänden vom Straßenrand auf die Kinder. 

Das klingt nach verkehrter Welt? So habe ich auch, viele lange Grundschuljahre am Straßenrand stehend, gedacht.

Und fand: der Kleine sollte auch die richtige Karnevalswelt kennenlernen. Schleifte ihn Karnevalssonntag zum großen Zug. Der Kleine kann sehr niedlich aussehen. An dem Tag probierte er mit Inbrunst sein neu gelerntes Wort aus: Klappertüüt. Den Jecken ging bei dem Klappertüüt rufenden, niedlichen Kind das Herz auf. Das Kind wurde mit Kamelle überschüttet.

Der Kleine ist aber auch ein hilfsbereites Kind. Wenn jemand was verliert, hebt er es auf und gibt es zurück. So hob er jedes einzelne Bonbon auf und versuchte, immer verzweifelter, es den in seinen Augen rechtmäßigen Bonbonbesitzern zurückzugeben.

Ich stand da. Dachte nur: Buchweizengericht.