Es ist unrecht. Und jetzt?

Die Nachbarin

Spielstraße. Die Kinder spielen Fußball. Dann steht ein Kind mit Tränen im Wohnzimmer: "Die behält einfach den Ball!" Was ist passiert?

Kinder spielen Fußball (dpa)
Kinder spielen Fußball / ( dpa )

Die Nachbarin hat seinen Ball einkassiert. Den Ball, quietschorange und supercool,  den unser Jüngste sich vom Taschengeld erspart hat. Das Kind schluchzt.

"Ich komme schnell mit." Der Ball leuchtet in der Mitte des grünen Rasens, hat keine Blume verknickt.

Es dauert, bis die Tür aufgeht.  "Guten Tag. Bitte geben Sie doch meinen Kindern den Ball zurück."  Ein verkniffenes  Gesicht faucht: "Nein. Mit ihnen habe ich genug durch. Die Orangenschalen nachts, im Garten." Orangenschalen? Wir? Nachts?  Bevor ich mich sortiert habe, hat die mir unbekannte neue Freundin unseres verwitweten Nachbarn die Tür zugeschlagen.

Empörung brandet am Tisch auf. Freunde, einer Jurist, sind zu Besuch. "Das darf sie nicht. Der Ball gehört dem Kind." Vorschläge landen auf dem Tisch: von Ball selber holen bis Polizei anrufen ist alles dabei.

Es ist Samstag. Mein Mann holt einen neuen Ball. Der Jüngste ist unglücklich. Den coolen, selbstersparten Ball gab es nicht mehr. Die Erwachsenen ergreifen die Partei des Jüngsten.  "Das geht so nicht. Das ist ein Kind. Und es hat recht." Ich finde: "He, es ist nur ein Ball. Geht es ums spielen, oder ums Recht haben?"

Klar will ich, dass meine Kinder lernen, keine Duckmäuser zu sein, für ihre Rechte einzustehen.

Eine Grundsatzfrage steht im Raum: Wo ist die Grenze, bei der man sich wehrt? Und: wenn man sich wehrt, wie wehrt man sich?

Die Empörung ebbt nicht ab. Eine  Situation am Bahnhof fällt mir ein. Einer Frau ist der Geldbeutel gestohlen worden. Sie beeindruckt mich, als sie sagt: "Das Geld ist eh weg. Dann kann ich es dem Dieb auch schenken. Und ärger mich nicht." Ich erzähle von der Frau am Bahnhof.

Frage, ob das eine Lösung sei? Ob sie den Ball der Frau schenken wollen? Mein Hintergedanke: So würde es, wenn auch nachträglich, ihre Entscheidung.

Ihre autonome Entscheidung.

Die Kinder denken nach, schreiben einen Brief.  "Sehr geehrte Frau  Nachbarin. Wir finden es sehr ungerecht, dass Sie den Ball behalten. Wir sind so nett und  schenken ihnen den Ball für die Enkel. Aber wir hoffen, dass Sie ihn uns zurückgeben."

Eine Möglichkeit von vielen.

Ob es die Richtige war? Können nur die Kinder sagen.