Ein ganz neuer Blick auf meinen Mann

Ein nettes Kerlchen

"Waldschrat". Den Namen hatte mein Mann weg, nachdem ich Anno Dazumal den ersten Blick auf sein ebenso langes, wie an den Spitzen ausgefranstes Haar geworfen hatte. Schließlich durften seine Haupt- und Barthaare wallen, bis sie so lang waren, dass sie von selbst das Wachsen einstellten. Im Laufe der Jahre hat sich der Waldschrat immer mal wieder gewandelt. Mitunter sehr radikal: Zwischendurch war alles millimeterkurz geraspelt. Der Waldschrat sah ganz nach Zenmönch aus.

Waldschrat / ©  von Ralph Schimpf (Eigenes Werk) [Public domain], via Wikimedia Commons
Waldschrat / © von Ralph Schimpf (Eigenes Werk) [Public domain], via Wikimedia Commons

Eine Weile hat der Große meinen Mann "Einstein" genannt, weil die, doch schütter gewordenen Haupthaare, so vereinzelt wie verwurschtelt, nach oben zickten. Oder aber "Weihnachtsmann". Sein Rauschebart ist, wenn es denn gerade ein Rauschbart ist, weiß wie Schnee geworden. Wie auch immer er aber gerade aussieht, mein Mann ist wohl das, was man landläufig ein Original nennt. Nicht umsonst werden bei jeder Passkontrolle seine Papiere einkassiert und auf alle erdenkliche Weisen überprüft. Warum ich Ihnen das erzähle? Weil Sie sonst beim besten Willen nicht den Witz an der Geschichte verstehen können, der meinem Mann diese Woche passiert ist.

Der ist, das sollten sie auch noch wissen, nicht nur ein Waldschrat, sondern auch ein Jäger und Sammler. Deswegen hat unsere große Garage noch nie ein Auto von innen gesehen. Sie ist eher ein Warenlager. Unglaublich gut bestückt zwar, aber leider nur selten gut sortiert. Nun fehlte, warum auch immer, eigentlich müssten sieben in der Garage sein, ein Wagenheber. Mein Mann macht sich zu einer großen, mit Autoersatzteilen handelnden, Kette auf. Er findet dort seinen Wagenheber. Dann stellt er an der Kasse aber leider fest, dass er weder Portemonnaie noch EC Karte bei sich hat. Er legt also den Wagenheber beiseite und will schon umdrehen, als er den Kassierer sagen hört: "Nu nimm das Teil schon mit, brauchste doch für die Arbeit, sonst wärst Du doch nicht hier."

Mein Mann war so verblüfft, dass er wie geheißen tat. Glauben Sie mir, das macht er sonst nie!! Er bedankt sich, fährt nach Hause, benutzt den Wagenheber, kommt postwendend zurück und überreicht das Geld zusammen mit einer Flasche Sekt. "Ich wusste, dass ich Dir trauen kann. Bist ein nettes Kerlchen. Das sieht man ja!"

Ein nettes Kerlchen! Darauf ist noch nie jemand bei meinem Mann gekommen. Tja, da sind sich wohl mindestens zwei nette "Kerlchen" begegnet. Die übrigens beide stramm auf die Pensionierung zu gehen.