Eine Auferstehungsgeschichte. Vielleicht

Die gestorben sind, sind niemals fort

Erlausche nur geschwind / die Wesen in den Dingen /Hör sie im Feuer singen, /Hör sie im Wasser mahnen /Und lausche in den Wind.

 (DR)

Im Flugzeug nach Afrika, hoch über den Wolken und auf dem Weg zu meinen Interviewpartnern nach Ruanda, finde ich diese Zeilen aus dem Gedicht „Der Hauch der Ahnen“ des senegalesischen Dichters Birago Diop.

Seine Poesie schlägt mich sofort in ihren Bann.

Lausche in den Wind: / Der Seufzer im Gebüsch/ Das ist der Hauch der Ahnen. /Die gestorben sind, sind niemals fort, /Sie sind im Schatten der sich erhellt, /Und im Schatten der tiefer ins Dunkle fällt.

Ich bin auf dem Weg nach Ruanda, weil ich dort Menschen treffe, die in verschiedenen Wellen des Völkermordes unzählige Angehörige verloren haben. Jede und jeder muss seinen oder ihren Weg finden, um mit dem Verlust zu leben. Und die Hoffnung nicht zu verlieren.

Auch nicht den Glauben.

Aber es ist gerade der Glaube, der sie nicht verzweifeln lässt. Es ist der Glaube, der sie sagen lässt: Wir haben nur dieses eine Leben. Warum soll ich, zu allem Leid was schon geschehen ist, auch noch zulassen, dass ich für den Rest meines Lebens leide?

Einer von ihnen, der die Versöhnung zu seinem Lebensthema gemacht hat, ist Erzbischof Simon Ntamwana. Er hat 62 Menschen aus seiner Großfamilie verloren, darunter seinen Vater und Brüder, die er aufs schmerzlichste vermisst. Er liebt das oben zitierte Gedicht von Birago Diop besonders. „So ist es, genauso ist es“ sagt er.

Das Gedicht ist lang. In seinen vielen, wunderbaren Strophen, besingt Birago Diop, der Dichter, Schriftsteller, Tierarzt und Diplomat und preisgekrönt für seine Literatur, wie die Ahnen uns umgeben.

Die Toten sind nicht tot. /Sie mahnen uns täglich an den Bund, /An den großen Pakt der uns bindet,

Der unser Los dem Gesetz verknüpft, /Den Taten der stärksten Wesen, /Dem Los unserer Toten die nicht gestorben: /Der Pakt der uns bindet ans Leben.

Just in dem Moment, in dem ich viele Monate später das Gedicht nochmal lese, plingt eine Email. Die Frau eines Freundes schreibt. Ein großer Gedichtekenner, der mir oft das genau richtige Gedicht im genau richtigen Moment geschickt hatte. Sie schreibt: der Freund sei tot. Dem Krebs erlegen.

Meine Augen aber lesen: die gestorben sind, sind niemals fort.

Vielleicht eine Auferstehungsgeschichte.