Das Inselleben ist ganz. Und deswegen echt.

Insel.Sommer.Pause 4

Wie jedes Jahr sind wir weit weg von der Zivilisation in Urlaub. Auf einer Insel vor Irland, zwölf Fußballfelder winzig, nächste Station Amerika. Ein Haus, das Meer und wir. An den letzten Sonntagen habe ich hier von der Poesie dieser Insel, ihrem Lichtzauber und schlüpfenden Möwenkindern erzählt. Aber das ist nur eine Seite der Insel. Das Inselleben ist auch hart. Zuweilen gnadenlos hart.

Inselsommer4 / © Krumpen
Inselsommer4 / © Krumpen

Wie an jenem stürmischen Regentag, an dem wir irgendwann dennoch vor die Tür gingen. Als wir an einem Felsen vorbeiliefen, schreckten wir ein vielleicht gerade mal drei Wochen altes Möwenjunges auf. Voller Panik stürzt es von uns weg an den Rand der Klippen, wird von einer Bö erfasst und in die Wellen geschleudert. Es ist noch viel zu schwach, kann sich gegen die Kraft der Elemente nicht wehren.  Schmerzlich wissen wir sofort: alle Mühe wird vergeblich sein und wohnen sicher zwanzig, endlos lange, Minuten seinem Todeskampf bei.

In dem die Wellen  das Küken wieder und wieder gegen die Felsen schleudern. Treiben es jedes Mal weiter weg vom rettenden Felsen. Aus der kleinen Kehle kommen erschütternde Laute,  locken erwachsene Artgenossen herbei. Auch sie können nichts tun. Nichts und niemand kann helfen. Irgendwann treibt das Möwenkind, so nass und zerzaust wie bei seiner Geburt, reglos dahin. Nur noch ein Spielball der Wellen. Uns laufen die Tränen.

Lange sitzen wir an diesem Abend zusammen am Feuer, reden über uns, das Leben und das Sterben. Wir alle wissen, dass wir sterben werden, niemand weiß wann und wie und wer der nächste von uns sein wird.  Schon. Aber wissen und fühlen – das sind zwei sehr verschiedene Paar Schuhe. Das Möwenkind ließ uns unsere eigene Zerbrechlichkeit fühlen. Jeden einzelnen die seine und alle zusammen die unserer kleinen Gemeinschaft.

Am nächsten Tag schaue ich auf das wieder leuchtend blaue Meer. Der Schäfer hat für seine Schafe auf der Insel eine Schafstransportkiste, einen Bretterverschlag auf Plastiktonnen, an einer Boje in der Bucht festgemacht. Die Kinder schwimmen dorthin,  springen von der Schafskiste in die Wellen. Bezwingen, jung und stark und schön wie sie sind, die Elementen.  Ich schau sie an und weiß doch:  Die Elemente herrschen über uns – nicht wir  über sie.  Sanft aber beharrlich nimmt die Insel mir diese Illusion. Ich habe mein Leben nicht in der Hand, ich  denke das nur immer.

Das ist manchmal hart. Dafür ist das Leben hier immer echt.

Mehr geht nicht.