Aber tätige Liebe heilt alle Wunden

Bloße Worte mehren nur den Schmerz

Überraschung. Das Buch eines katholischen Pfarrers erobert die Spiegelbestsellerliste. Wie das, wo die Verlage seit der Kirchenkrise unisono sagen: katholischer Pfarrer? Keine Chance.

Pfarrer Franz Meurer mit Pappnase / © Uta Vorbrodt (DR)
Pfarrer Franz Meurer mit Pappnase / © Uta Vorbrodt ( DR )

So ganz abstrakt, also, wenn man nur hört, dass ein katholischer Pfarrer mitten in der Coronakrise einen Bestseller landet, hätte ich mich vielleicht auch gewundert.

Da ich aber Franz Meurer, den Autor des Buches, schon lange kenne, wundert es mich nicht, dass „Glaube, Gott und Currywurst“ auf der Spiegelbestsellerliste auftaucht.

Im Gegenteil. Franz Meurer beschreibt in seinem neuen Buch, das sich übrigens ganz wunderbar lesen lässt, einfach seine jahrzehntelange Arbeit in Kölns ärmsten Viertel, die von Anfang an Menschen von jung bis alt, von katholisch bis muslimisch, von arm bis reich, angezogen hat.

Das Geheimnis dieser Anziehung steckt im Untertitel des Buches: Unser Platz ist bei den Menschen. So ein unscheinbarer Satz. Wo er ernst genommen wird, entstehen kleine und große Wunder.

Kleines Wunder: Die Schulen im Viertel haben keine Räume, um zu feiern? Dann werden die Abschlusszeugnisse von Haupt- und Gesamtschule im Kirchenraum verliehen. Und am Ende der Zirkuswoche in der Grundschule, zeigen die Kleinen ihre neuen Einrad- und Feuerschluckkünste ihren Eltern in der Kirche.

A propos Kirche, großes Wunder: Die Kirche hat ein Riesenkellergewölbe. Mit Werkstätten, Kleiderkammern und Gruppenräumen. Weil viele leichter Arbeit finden, wenn sie Gabelstapler fahren können, gibt es einen Meister, der im Keller auf Türkisch, Englisch und Deutsch den Gabelstaplerführerschein unterrichtet.

Noch ein größeres Wunder: Die Stadt Köln will 50 000 Wohnungen privatisieren, 10 000 davon im Viertel von Franz Meurer. Große Kampagne, Seite an Seite mit den Menschen aus dem Viertel, Kampf gewonnen, Wohnungen gerettet.

Das vielleicht größte Wunder: Zusammen mit vielen anderen erfindet Franz Meurer einen neuen Beruf: den Altenpfleger-Fachpraktiker, der bundesweit aufhorchen lässt. Junge Menschen ohne Schulabschluss arbeiten im Service, entlasten so die Pflege, geben alten Menschen Zuwendung, bekommen selbst einen Broterwerb und einen Platz in der Gesellschaft.  

Ewig könnte ich so weiter- und weitererzählen.

Ich kann aber auch Franz Meurer zitieren. Der, nach dem Geheimnis seines Erfolges befragt, wiederum Adolph Kolping zitiert: „Bloße Worte mehren nur den Schmerz, tätige Liebe aber heilt alle Wunden.“

Kein Wunder, dass Franz Meurer seine Arbeit als eine „Agentur der tätigen Liebe“ beschreibt.

Vielleicht ein Wunder, dass eine „Agentur der tätigen Liebe“ es in die mediale Aufmerksamkeit einer Bestsellerliste schafft.