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Auf die Lösung schauen

"Der Trick liegt darin, nicht auf das Hindernis zu starren. Sondern sich darauf zu konzentrieren, wie man es aus dem Weg räumt."

Die Tafeln helfen Bedürftigen / © Hauke-Christian Dittrich (dpa)
Die Tafeln helfen Bedürftigen / © Hauke-Christian Dittrich ( dpa )

Sonntagmorgen. Ich lese die Wochenendausgaben der Zeitungen. Manchmal ist ein Satz dabei, der mich lange beschäftigt. So wie vor einiger Zeit dieser Satz:

"Der Trick liegt darin, nicht auf das Hindernis zu starren. Sondern sich darauf zu konzentrieren, wie man es aus dem Weg räumt."

Der Satz stand in dem Artikel: "Für Reste die Beste", einem langen Interview mit Ronni Kahn, einer australischen Sozialunternehmerin.

Zum weltweiten Vorbild wird Ronni Kahn für ihr Engagement gegen Lebensmittelverschwendung. Eine Sisyphusaufgabe: 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel werden weltweit weggeworfen. Ein Drittel aller Lebensmittel. Ein Wahnsinn.

Dachte sich auch Ronni Kahn. Als Eventmanagerin sollte sie für 1000 Gäste ein ganz besonderes Essen organisieren. "Aber keiner interessierte sich dafür. Die Gäste waren völlig überversorgt", erzählt sie. Sie wollte das übriggebliebene Essen einsammeln, verteilen. Und scheiterte an den schieren Mengen. Das sei obszön gewesen, sagt Ronni Kahn. "Ich brauchte eine Lösung".

Sie fand Menschen, die ihr halfen, einen Transporter zu finanzieren, mit dem sie Essen einsammeln und, anders als die Tafeln bei uns, direkt weiterverteilen konnte. So weit, so wunderbar. So wie viele andere kleine Initiativen auch. Aber Ronni Kahn wollte mehr, wollte das System ändern.

Startete deswegen eine Kampagne, um das Lebensmittelgesetz in Australien zu ändern, den Kern ihres Gedankens durchzusetzen: Nicht die Spender haften für die gespendeten Lebensmittel, sondern der Empfänger übernimmt das Risiko für z.B. abgelaufene Lebensmittel.

Heute sind die quietschgelben kleinen Transporter von Ronni Kahn in ganz Australien unterwegs. Sammeln 180 Tonnen Lebensmittel ein. In der Woche! Es gibt Programme in Grundschulen. Einen Supermarkt ohne Preisschilder, in dem jeder nimmt, was er braucht und gibt, was er kann. Ronni Kahns Modell ist weltweit ein Vorbild. In Belgien beispielsweise gibt es jetzt eine Gesetzesinitiative gegen Lebensmittelverschwendung.

Ich staune. Was passieren kann, wenn sich jemand wirklich mit einem unserer weltweit größten Probleme konfrontiert. Aber dabei weder depressiv wird, noch wie das Kaninchen auf die Schlange starrt. Sondern die Lösung fixiert.

Unser weltweit größtes Problem ist jetzt die Pandemie. Da gibt es keine einfache Lösung. Und doch: Ronni Kahn inspiriert mich jeden Pandemie-Tag aufs Neue, nicht auf das Hindernis zu starren. Sondern immer neu auf die Lösung.